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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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verwahrloste Kinder, Männer und Frauen, die betrunken und besudelt, in ihrem eigenen Dreck an den Hauswänden lehnten, Bettler mit verstümmelten Gliedmaßen.
    Jermyn ging gleichgültig an ihnen vorbei, ihm war der Anblick vertraut, seit er denken konnte. Ninians Blicke dagegen verweilten, betroffen oder mitleidig und manchmal stieg ein Würgen in ihrer Kehle hoch, wenn eine klauenartige, mit Schwären bedeckte Hand nach dem Saum ihres Kittels griff. Aber wenn sie das Elend hinter sich gelassen hatten, vergaß sie es, es hinterließ keinen Eindruck in ihrem Herzen. Und Jermyn, der es am eigenen Leibe erfahren hatte, wollte jede Erinnerung daran auslöschen. Sie waren zu jung und zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass die Nöte und Sorgen der anderen sie rühren konnten.
    Sorglos ließen sie sich treiben und es dauerte nicht lange, bis sie in dem Menschenstrom an einen Strudel kamen, der sich um einen zweirädrigen Karren gebildet hatte.
    Verlockende Düfte stiegen aus der bauchigen Pfanne auf; der Koch, runzlig und braun, wie gedörrt vom Rauch, rührte eifrig in der brutzelnden Mischung aus gehacktem Fleisch, Zwiebeln und Kohl. Zwischendurch schaufelte er Nachschub aus einem Bottich, den zwei Gehilfen unermüdlich auffüllten. Hinter ihnen türmten sich blassgrüne Kohlköpfe und um den Hals hatten sie Zwiebelketten geschlungen, damit es schnell ging. Sie schnitten und hackten um's liebe Leben, denn die Tempelglocken hatten die zwölfte Stunde geläutet. Das fleißige Volk von Dea nahm sich nur wenig Zeit für seine Mittagsrast und ein ganzer Schwung Handwerker und Lastenträger standen vor dem Karren und verlangten ungeduldig nach ihrer Mahlzeit.
    Der Koch goss aus einer verbeulten Kanne schwungvoll braune Tunke zu dem Gemisch, es zischte laut und würzig duftende Schwaden umschwebten den Stand. Vom Stapel nahm er einen Brotfladen, lud eine Kelle voll Schmorfleisch darauf, klappte ihn so geschickt zusammen, dass kein Tropfen herausquoll und reichte ihn dem nächsten Kunden. Der warf eine kleine Kupfermünze in die Tonschale, nahm ein angespitztes Hölzchen aus dem Korb und stapfte davon.
    Jermyn ging an den Wartenden vorbei, legte zwei Münzen in die Schale und hob nachlässig zwei Finger. Der Koch stutzte und der stiernackige Träger, dem der nächste Fladen zugekommen wäre, schaute verblüfft auf ihn herab.
    »Oi, du mieses, kleines ...«, begann er beinahe gemütlich. Jermyn sah ihn an und er verstummte. Mit töricht offen stehendem Mund und glasigen Augen stand er dabei, während der Koch eilig zwei Fladen füllte und sie Jermyn reichte. Niemand erhob Einwände.
    Jermyn dankte höflich und gab einen Fladen an Ninian weiter. Schon lange sagte sie nichts mehr dazu – es war angenehm, nicht warten zu müssen. Sie setzten sich auf die Stufen vor einem kleinen Wandbrunnen und aßen.
    Ninian liebte die Garküchen; sie hatten sich angewöhnt, zu essen, wo und wann es ihnen in den Sinn kam. Es gab Speisehäuser für Reisende und Schenken, in denen für die Tagelöhner gekocht wurde, aber die Vielfalt der Garküchen hatte es ihr angetan. Sie konnte nicht an ihnen vorbeigehen, ohne von den Speisen zu kosten, die dort unter den flinken Händen entstanden. Weder das fremdartige Aussehen der Köche noch der Speisen schreckte sie.
    Jermyn teilte ihren Wagemut nicht und weigerte sich, besonders verdächtige Gerichte anzurühren. Bei rohem Fisch etwa hörte der Spaß auf.
    Am Morgen waren sie auf dem Fischmarkt gewesen. Der noch zappelnde Fisch war auf dem Hackbrett gelandet, mit einem einzigen Schlag des furchterregenden Messers getötet und blitzschnell in hauchdünne Scheiben zerlegt worden. Ninian hatte unerschrocken das rosigweiß schimmernde Fleisch verzehrt und ernsthaft versichert, dass es köstlich sei. Aber Jermyn hatte sich nicht umstimmen lassen.
    »Hier weiß man wenigstens, woran man ist«, meinte er jetzt und spießte ein Stück knuspriges Fleisch auf.
    »Pah, hast du gesehen, wie er das Schwein geschlachtet hat? Wer weiß, was sie alles darein mischen.«
    Als Jermyn fertig war, säuberte er Gesicht und Hände am Brunnen und setzte sich neben sie. Die Arme um die Knie geschlungen, starrte er vor sich hin.
    »Woran denkst du?«, fragte Ninian und biss genüsslich in ihren Fladen.
    »Ich denke, dass wir die Garköche reich machen.«
    Er begann an den Fingern aufzuzählen.
    »Heute morgen musstest du unbedingt diesen grässlichen rohen Fisch probieren, dann haben wir mit Krapfen weitergemacht, dann

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