AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
unvergängliches Liebespfand, damit auch die Liebe ewig währt. Hier, seht diesen Rubin, ein Tropfen Herzblut, als Anhänger ruht er am Herzen Eurer Liebsten. Oder hier ein Saphir, der Stein der Treue und Beständigkeit, in einem Ring bindet er Eure Liebste an Euch. Oder gar ein Diamant? Damit das Feuer der Liebe nie erlischt? Wählt, junger Herr, oder besser noch – lasst die Dame wählen.«
Die Worte flossen glatt über seine Lippen, während er seine Waren anpries. Ninian errötete unter dem Geschwätz und mit geheucheltem Interesse ergriff sie einen Stein.
»Nehmt nur, schöne Dame, betrachtet ihn, seht sein Feuer, seine Reinheit«, schnurrte der Händler.
»Gefällt er dir?«, fragte Jermyn nachlässig, als sei er es gewohnt, Juwelen zu verschenken.
»Ein hübsches kleines Ding, nichts besonderes. Was wollt Ihr dafür haben?«
»Hübsches, kleines Ding? Nichts besonderes?«, der Mann spielte den Empörten. »Junger Mann, ich biete nur erstklassige Ware. Der Preis? Weil Ihr es seid – sagen wir, fünfzig Goldstücke für diesen Schatz und dafür will ich ihn noch fassen. Wie ist es, schlagt Ihr ein? Seht, die Dame schaut ganz begehrlich.«
Ninian sah auf. »Ein netter Scherz«, meinte sie trocken, »sicher bewahrt Ihr die echten Steine zum Schutz vor Diebstahl in einem sicheren Kasten auf. Dieser hier ist aus gefärbtem Glas und kaum zehn Silbermünzen wert.« Sie ließ den Stein achtlos auf das Tablett fallen. »Soviel trägst du sicher bei dir, Jermyn, wenn du ihn haben willst. Ich lege keinen Wert darauf.«
Beiden Männern verschlug es die Sprache. Jermyn bildete sich einiges auf seine Kenntnis edler Steine ein. Die Hehler, die nicht wagten, ihn zu betrügen, hatten ihm gezeigt, woran man die Güte eines Juwels erkannte. Dann fiel ihm ein, wie die schwarzen Diamanten des Brautdiadems unter ihren Fingern entflammt waren und er biss sich auf die Lippen. In dem Bröckchen Kristall auf ihrer Hand war kein grüßendes Feuer erschienen.
Der Händler hatte seine Stimme gefunden. Das blitzende Lächeln war verschwunden, er blähte die Wangen auf.
»Was fällt Euch ein?«, zischte er. »Was versteht ein Dämchen wie Ihr davon? Alle meine Steine sind echt, von höchstem Wert.«
Ninian lächelte süß.
»Wollen wir zum Gildenmeister gehen und ihn um sein Urteil bitten? Nein? Räumt den Tand weg, bevor Ihr jemandem aus Versehen falsche Steine für echte verkauft.«
Das Gesicht des Händlers hatte eine ungesunde Farbe angenommen. Mit Mühe zwang er das Lächeln zurück und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Wahrhaftig, das Fräulein hat Recht. Dies sind die Pasten, die ich auf Reisen mitführe – es ist gefährlich, echte Steine auf der Straße offen zu zeigen. Mein Fabulus muss sie vertauscht haben, ich werde ihn schlagen. Ich danke Euch, Fräulein, für Euer offenes Wort, wollt Ihr nicht zum Dank ...«
Seine Stimme verklang hinter ihnen, als sie davon gingen, Jermyn ein wenig vergrätzt und Ninian sehr zufrieden mit sich.
Sie kehrten spät in der Nacht zum Ruinenfeld zurück, aber Wag war noch wach. Er hatte auf sie gewartet, um ihnen allerlei Klatsch zu erzählen, den er aufgeschnappt hatte. Als sie endlich hinaufkletterten, schlugen die Tempelglocken die zweite Stunde des neuen Tages.
Im Übungsraum schleuderte Jermyn Jacke und Stiefel von sich und warf sich bäuchlings auf die Pritsche.
»Morgen steh ich nicht auf«, er lächelte schläfrig. »Oder doch, wir wollten ja klettern, aber erst später. Nimm die Kerze mit und schlaf gut.« Er ließ den Kopf auf die Arme sinken und rührte sich nicht mehr.
Als Ninian durch den leeren mittleren Raum ging, flackerte der Kerzenschein über das Mädchen an der Wand, aber heute fand sie das Lächeln nicht tröstlich. Ihr schien, als lache die gemalte Schöne sie aus. Ninian schalt sich eine Närrin und schob ärgerlich den Vorhang zu ihrem Schlafgemach beiseite.
Die Truhe mit ihren Habseligkeiten stand dort und auf der Empore erhob sich ein gezimmertes Bettgestell. Es bot Platz für eine ganze Familie und ihr Misstrauen war wieder erwacht, als sie die Bretter gesehen hatte.
»Warum so groß?«
»Warum nicht?«, hatte Jermyn unschuldig erwidert. »Eine kleine Pritsche sieht auf dem Sockel lächerlich aus. Was hast du gegen viel Platz zum Schlafen?«
Sie hatte es ihm nicht gut erklären können und so war es bei dem gewaltigen Bett geblieben.
Zusammengebaut hatte es ein Tischlergeselle, den Jermyn so bearbeitete, dass er sich wie ein
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