AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Höfe, wo Frauen nicht gern gesehen waren, aber sie mochte Schwertkämpfe und Messerwerfer, die Akrobaten und Magier, die in den Straßen ihre Künste zeigten.
Nicht nur am Tag waren sie auf den Beinen. Es gab keinen festen Tagesablauf mehr, Tag oder Nacht – es war ihnen alles gleich. Sie aßen, schliefen und wanderten umher, wie es ihnen gefiel.
Und die Nächte von Dea wurden nie ganz dunkel. In den Vierteln der Reichen standen in regelmäßigen Abständen hohe Masten mit Glaskugeln, in denen bei Anbruch der Dunkelheit Öllampen entzündet wurden und in den Quartieren der ehrbaren Bürger brannten Pechfackeln in eisernen Wandhaltern.
In den verrufenen Gassen der Armen aber wurde es niemals ruhig, immer herrschte dort Kommen und Gehen, aus den Schenken fiel die ganze Nacht Licht. Wer zahlen konnte, nahm sich einen Fackelträger und an vielen Straßenecken und Hinterhöfen brannten offene Feuer. Wenn der Himmel dunkel geworden war, kamen sie hervor, die Herren der Nacht, die sich tagsüber in schäbigen Verschlägen und dürftigen Kammern verborgen hielten. Diebe, Hehler, Betrüger, Menschenhändler und andere zwielichtige Gestalten, aber auch Gaukler und Possenreißer tummelten sich in den engen Gassen und gingen ihren Geschäften nach. Zwischen ihnen wandelten die Schönen und weniger Schönen der Nacht – spärlich bekleidete Mädchen mit lockenden Augen und Frauen mit harten, berechnenden Gesichtern, die sie zu Markte führten.
Ninian trug bei diesen Streifzügen Männerkleidung und lud sich auf, um sich vor zudringlichen Händen zu schützen, aber im Allgemeinen wurden sie in Ruhe gelassen. Wie Jermyn vorausgesagt hatte, hatten die Gerüchte über den Einbruch bei Fortunagra ihren Weg in die dunklen Viertel gefunden und wo man ihn an seinen roten Stacheln erkannte, begegnete man ihnen mit Achtung oder mied sie.
Nur jenseits des Flusses schien man nichts davon zu wissen und eines Nachts waren sie dort in eine üble Schlägerei mit den Gefolgsleuten eines örtlichen Patrons geraten. Es war eine wüste Horde gewesen, Jermyns geistige Kräfte waren nach einer Weile erlahmt und Ninian hatte ein ganzes Gewitter herabrufen müssen, um die Angreifer in die Flucht zu schlagen.
Am Anfang hatte sie Angst gehabt, doch nachher musste sie sich eingestehen, dass sie den Kampf genossen hatte. Wie sie alles genoss, was sie mit Jermyn gemeinsam tat.
Sie fröstelte in der Morgenluft und schlang die Arme um die Knie.
Er war ihr ein Rätsel – er benahm sich ungezwungen, beinahe so, als kleide sie sich nicht nur wie ein junger Mann, sondern als sei sie ein Kumpan, mit dem er durch die Straßen zog. Manchmal fragte sie sich, ob sie seine wilden Liebkosungen in der Nacht nach dem Einbruch nur geträumt hatte. Seitdem hatte er sie nur angerührt, wenn es beim Klettern oder im Gedränge notwendig gewesen war.
Er gab ihr keinen Blick, der von anderem sprach als von Freundschaft und nie hatte sie das Gefühl, er sähe sie heimlich an. So nahe wie in der Nacht des Einbruchs waren sie sich nicht wieder gekommen und wenn sie es vermieden, über das Haus der Weisen zu sprechen, konnten sie wunderbar unbefangen miteinander umgehen, wie gute Kameraden, nicht mehr.
Eine harte Kante drückte sich in ihr Hinterteil und sie bewegte sich unruhig.
Im Haus der Weisen hatte er aus seinen Empfindungen keinen Hehl gemacht. Jetzt schien es ihm nicht die geringste Mühe zu machen, sie zu verbergen, beinahe, als gäbe es keine Gefühle mehr, die er beherrschen musste.
Wie ungerührt war er heute gewesen, als die jungen Gecken sie belästigt hatten, ein wenig mehr Besorgnis hatte sie schon erwartet.
Sicher konnte sie sich selbst schützen, vielleicht wäre sie sogar entrüstet gewesen, wenn er ihr gleich zu Hilfe geeilt wäre und ein großes Aufhebens gemacht hätte. Aber handelte so ein junger Mann, wenn seine Liebste in Gefahr war? Stand er mit verschränkten Armen dabei und sah zu, wie sie sich allein gegen fünf Männer zu Wehr setzen musste? Vor allem – sah er anderen Frauen nach, wie er es neulich im Garten der d'Este getan hatte?
Am ersten Tag des Hitzemondes hatte die großherzige Adelssippe ein Sommerfest gegeben und wie üblich einen Teil ihrer Gärten für das Volk geöffnet. Die laue Sommernacht war erfüllt gewesen vom süßen Duft der Blumen, unzählige Ampeln hatten den Park in zauberisches Licht getaucht. Unter dem honiggelben Vollmond hatten sich die Menschen gedrängt, wohlgelaunt und zufrieden, denn die d'Este hatten
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