AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
allerlei Gesängen hingeführt. Sie kriegt noch 'n paar weise Worte mit auf 'n Weg – die se sicher braucht – un dann wird se allein gelassen und muss auf ihren Herrn un Meister warten. Was der die ganze Zeit gemacht hat, weiß ich nich.«
»Och, die Priesterinnen haben ihm noch 'n paar gute Ratschläge gegeben, die wissen bestens Bescheid«, grinste der Bursche, der die Korbflasche gespendet hatte. Zum Wohlgefallen der Göttin vollzogen die heiligen Frauen den Liebesakt zu bestimmten Zeiten mit Männern, die das Los bestimmt hatte. Ihre Gesichter blieben verhüllt und niemals erfuhren ihre Beischläfer, wer mit ihnen das Lager geteilt hatte, aber es herrschte nie Mangel an Freiwilligen.
Die anderen Männer lachten, aber die Erzählerin warf dem Vorlauten einen strafenden Blick zu. »Paß auf, dass die Göttin dir nich ihre Gunst entzieht, Dummkopf, des würde deinem Mädel nich gefallen. Was die Brautleute angeht, die bleiben solange in dem Zelt bis der Bräutigam der Hohen Priesterin des zerrissene Hemd und des blutbefleckte Laken gibt zum Zeichen, dass die Ehe vollzogen ist und die Braut unberührt war. Es wird vor allen Augen rumgeschwenkt und wenn die Ehe für gültig erklärt is, gibt's ein feines Feuerwerk. Am nächsten Morjen werden sie in ihr neues Heim geleitet un endlich in Ruhe gelassen – der Sasskatch war großzügig, er hat seiner Schwiegertochter 'n eigenes Haus geschenkt. Aber wir dürfen noch kräftig weiter feiern. Und vorher auch schon – des wern drei fette Tage, da können wir Artos und Sabeena dankbar sein.«
Zur Bekräftigung trank sie die Korbflasche bis auf den letzten Tropfen leer.
»Ja, schon«, meinte das Mädchen mit dem bunten Tuch, »aber mir tut's trotzdem leid, die Sabeena, und jetzt fast noch mehr als vorher. Stellt's euch vor, die ganze Stadt is dabei, wenn 's zum ersten Mal ... ich mein, des muss doch schrecklich sein und wahrscheinlich liebt sie ihn nicht mal ...«
Das Mädchen am Brunnenbecken schnaubte.
»Des is doch Wurscht! Sie wird eine der reichsten Frauen der Stadt, da braucht's keine Liebe, den Tratsch muss sie aushalten«, meinte sie ungerührt. »Ich tät nich meckern, wenn ich mit ihr tauschen könnt un nich mehr alten Männern den Rücken schrubben müsst. Schaut, es geht schon wieder los ...«
LaPrixa war an der Hintertür des Badehauses erschienen, die Hände in die Hüften gestützt.
»Oi, Mädels, rührt euch, die Kundschaft schreit!«
Seufzend standen die Mädchen auf, verteilten ein paar Küsse und schlenderten gemächlich zum Badehaus hinüber. Als sie fort waren, gab es für die jungen Burschen keinen Grund zu bleiben, sie verzogen sich unter Rempeleien und Geschrei. Nach und nach verschwanden auch die anderen, bis Jermyn und Ninian allein zurückblieben.
Er machte keine Anstalten aufzustehen und Ninian dachte an das teilnahmslose Mädchen im Garten der d'Este, seinen mitleidigen Blick. Bereute er, Sabeena durch sein Eingreifen zu dieser ungewollten Hochzeit gezwungen zu haben?
Ein sanfter Wind bewegte die losen Haaren in ihrem Nacken. Es war wie die Berührung von zärtlichen Fingern und sie schauderte.
LaPrixa hatte ihr angeboten, ihr Haar in Hunderte dünner Zöpfchen zu flechten, was einen ganzen Tag gedauert hätte. Ninian hatte ärgerlich abgelehnt, obwohl ihr die dichte Mähne bei der Hitze durchaus lästig war.
»Pah, ich hab nicht gedacht, das du so ein zimperliches Dämchen bist«, hatte die Hautstecherin gespottet und sie unsanft in den großen Stuhl gedrückt. Geschickt hatte sie die dunklen Strähnen zusammengezwirbelt und mit Nadeln hochgesteckt.
»So lässt's sich's besser aushalten, meine Hübsche und jetzt verschwindet, ihr zwei, ich hab noch andere Kunden.«
Ninian bewegte vorsichtig den Kopf. Der Aufbau saß locker und einzelne Strähnen lösten sich schon daraus. Es musste nett aussehen – Jermyn hatte sie angestarrt, mit jenem hungrigen Blick, den sie kaum ertragen konnte. Aber draußen hatte er nicht den Weg zu den Ruinen eingeschlagen, sondern war zum Brunnen gegangen. Und jetzt tat er so, als habe er sie vergessen ...
Sie sprang vom Brunnenrand und setzte sich neben ihn. Er starrte vor sich hin, eine steile Falte zwischen den dunklen Brauen.
»Jermyn ...«
Es gab nichts zu sagen, sie wollte ihn nur aus seinen Gedanken reißen.
»Was?«
Beinah unwillig drehte er sich um. Dann, als erkenne er sie erst jetzt, lächelte er und plötzlich pochte das Blut in ihren Schläfen. Sie hatte nie bemerkt, dass die Enden
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