AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
mit dem Tuch schauderte.
»Brrr, ein Band aus Nesseln – das muss ja brennen wie Feuer«, sie streckte einen wohl gerundeten Arm aus, »schaut's, ich krieg schon vom bloßen Hören eine Gänsehaut.«
Einer der jungen Burschen strich sanft über den zarten Flaum auf der weißen Haut und sie zog den Arm weg.
»Hör auf, davon kitzelt's mich noch mehr.«
»Aber doch wohl angenehmer, oder?«, schmeichelte er.
Die Frau drohte ihnen mit dem Finger. »Lacht nich«, sagte sie streng, »'s hat mehr Nesseln als Seide bei Eheleutn, des werdet ihr schon noch merken. Es heißt, der als erster jammert über die Nesseln, der trägt des härtere Los in der Ehe, deshalb reißn sie sich alle zusammen so gut es eben geht. Nu ja. Dann kommt der Segen, danach werden die Bänder abgenommen un des schlimmste is vorbei. Die Brautsleute trinken Wein aus einen Kelch un essn Brot von einen Teller. Kelch un Teller wird ihnen, zusammen mit die beiden Bänder geschenkt, als Andenken und zur Ermahnung. Vor die Götter sin sie Mann und Frau. Un dann ...«
Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. Die Mädchen kicherten, die Burschen pfiffen und machten anzügliche Gesten.
»Ja, was? Erzähl weiter, du Quell der Weisheit!«, rief ein junger Mann mit glänzenden Augen. Hinter seinem Ohr steckte eine Feder, er war Schreiber und die Bademädchen ließen sich gerne von ihm ihre Liebesbriefe schreiben, da er ein Meister der blumigen Wendungen war. Aber die Frau beachtete ihn nicht, würdevoll streckte sie die Hand nach der Korbflasche aus. Nachdem sie getrunken hatte, wischte sie mit dem Handrücken über den Mund.
»Un dann, meine Lieben, begleiten wir sie zum Tempel der Liebesgöttin un legen sie zu Bette un warten.«
»Und warten und warten«, sangen die Mädchen im Chor.
»Der würdige Artos sieht nit grad aus wie ein feuriger Liebhaber«, rief eine, aber eine andere unterbrach sie.
»Ach, was weißt denn du! Der geht nich nur in die Badhäuser von die feinen Pinkel, manchmal kommt er auch zu uns un von mir hat er sich nich nur den Rücken schrubben lassen. So langweilig is der nich, wenn man ihn richtig anpackt«, sie lächelte selbstgefällig und fügte boshaft hinzu, »die fade Ziege wird ihn freilich nich in Wallung bringen.«
»Immerhin hat er den Brautschatz zurückgebracht«, versuchte der Schreiber die Ehre seines Geschlechtsgenossen zu retten, »wenn er dafür Manns genug ist, wird er wohl auch seine Dame glücklich machen, oder?«
»Na ja, wie des zugegangen is, weiß man auch nich gewiss un auch nich, ob Artos die Lorbeern wirklich verdient hat«, wandte ein anderer ein.
Es war eine unglückliche Bemerkung, Ninian spürte die verstohlenen Blicke und gab sich alle Mühe, gelassen zu bleiben. Jermyn rührte sich nicht, sie war froh, dass er ihr den Rücken zukehrte. Das Mädchen aber, das sich seiner Abenteuer mit Artos gebrüstet hatte, starrte ihn an.
»So 'nen Kerl hätte ich gern mal zwischen den Beinen«, sagte sie gedehnt, »aber unsereins is ja nich mehr gut genug ...«
Ninian bemerkte die verlegene Stille kaum. Dieselbe Wut wie auf dem Sommerfest der d'Este stieg in ihr hoch und sie ballte die Fäuste, damit nicht unversehens das kalte Feuer aus ihren Fingerspitzen brach. Was fiel dieser hässlichen, kleinen Schlampe ein?
Jermyn drehte sich langsam um und sah das Mädchen ausdruckslos an. Der freche Blick flackerte, ihre Züge verzerrten sich und erschlafften. Wie eine Schlafwandlerin tappte sie auf die andere Seite des Brunnens.
Als sei nichts geschehen, wandte Jermyn sich an die Erzählerin.
»Du hast noch nicht erzählt, was in diesem Liebestempel passiert, Schwester, oder endet dein Wissen vor seinen Toren?«
Die Frau fuhr zusammen, wie die anderen hatte sie mit angehaltenem Atem zugesehen, aber er hatte sich schon abgewandt und sie fand ihre Sicherheit wieder.
»Nein, mein junger Herr, des weiß ich auch. Meine Tochter versorgt schließlich Sabeena ihre Schuhe, sie weiß alles über die Hochzeit. Also, die Priesterinnen empfangen die Braut un bereiten sie auf die Brautnacht vor. Sie wird gebadet, gesalbt un kriegt ihr Brauthemd an. Mein Mädel sagt, es is so fein gesponnen, dass man es durch 'nen Ring ziehn kann. Sie trägt das Hemd nur die eine Nacht. Der Bräutigam muss et zerreißen, wenn er ... na, ihr wisst schon«, ihr rechter Arm pumpte kräftig und alle grinsten. »In der Mitte vom Tempel steht des Zelt mit dem Bild der Göttin drin un dem Brautlager. Da wird des arme Wesen von den Priesterinnen mit
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