AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
seiner Wimpern wie poliertes Kupfer schimmerten. Unverwandt sah er sie an, das Lächeln war verschwunden. Unter seinem Blick senkte sie die Augen, ihr Herz schlug einen verrückten Wirbel, sie spürte seinen warmen Atem auf ihrem Mund.
»Oi, ihr zwei, wenn ihr morgen den Hochzeitszug angaffen wollt, habt ihr euer Nachtquartier an der falschen Stelle aufgeschlagen – hier kommen sie nicht vorbei.«
Sie fuhren so heftig zusammen, dass ihre Köpfe unsanft aneinander stießen. Über ihnen stand LaPrixa, die Arme in die Hüften gestemmt.
Jermyn beherrschte sich mit Mühe. Nichts würde ihr mehr Vergnügen bereiten als offen gezeigter Ärger.
»Das gibt 'ne Beule, LaPrixa, aber mach dir keine schlaflose Nacht, uns machen alle Platz.«
Das hämische Lächeln verschwand.
»Behalt deine Finger lieber bei dir, mein diebischer Freund«, erwiderte sie giftig, »sonst fehlen sie dir nachher. Ich habe gehört, Duquesne will jedem Taschendieb die Hand abhacken. Als Abschreckung!«
Jermyn stand auf. Ninian ließ sich von ihm hochziehen, sie sah weder ihn noch LaPrixa an und ging rasch zum Ausgang des Hofes.
LaPrixa sah ihr mit einem seltsamen Blick nach, doch Jermyn hatte seine Haltung wiedergefunden.
»Du sagst es, LaPrixa«, meinte er gelassen. »Jedem, den er erwischt. Aber verlass dich drauf – ich gehöre nicht dazu, auch wenn du es dir vielleicht wünschst.«
Die beiden dunklen Augenpaare hielten einander fest, als sie stumm die Klingen kreuzten. LaPrixa sah zuerst weg.
»Warum sollte ich?«, murmelte sie. »Ich ... ich wünsche dir nichts Böses. Nur ... ach, mach doch, was du willst.«
Sie drehte sich abrupt um und stapfte zum Badehaus zurück. Mit gerunzelten Brauen verließ Jermyn den Hof.
»Willst du morgen wirklich, ich meine, du weißt schon, die Gelegenheit nutzen?«, fragte Ninian, als er sie eingeholt hatte. Sie sprach beiläufig, ohne ihn anzusehen.
»Warum sagst du nicht ,klauen', statt so drum herum zu reden?«, knurrte er, »ganz bestimmt tu ich das, morgen lohnt es sich wenigstens.«
»Mit einer Hand klettert es sich nicht so gut!«
»Glaubst du wirklich, dein Duquesne mit seinen albernen Wachleuten könnte mich aufhalten? Ich bin nicht Wag, vergiss das nicht.«
Ninian ballte erbittert die Fäuste. »Er ist nicht mein Duquesne und du brauchst nicht auf Wag herabzusehen. Im Gegensatz zu ihm kannst du den Leuten vorgaukeln, was du willst.«
Jermyns Augen wurden schmal.
»Ich hab's nicht nötig, meine Gedankenkräfte beim Klauen einzusetzen«, sagte er kalt, »ich kann das sehr gut auch so. Und du brauchst Wag nicht in Schutz zu nehmen, ich sehe nicht auf ihn herab.«
Er drehte sich auf dem Absatz um und warf im Weggehen über die Schulter zurück: »Du findest ja alleine zum Palast, ich weiß nicht, ob ich heute zurückkomme. Wir sehn uns morgen.«
Ninian warf den Kopf in den Nacken und schlug die entgegengesetzte Richtung zum Ruinenfeld ein.
Ihr war immer noch heiß vor Scham. Sie wusste nicht, was schlimmer war – dass Jermyn sie an einem öffentlichen Brunnen küssen wollte und sie damit dem Gespött aussetzte oder dass LaPrixa ihn daran gehindert hatte.
Als sie das Brachfeld erreicht hatte, gestand sie sich ein, dass der ärgste Zorn ihr selbst galt. Warum konnte sie nicht den Mund halten? Ihre schnippischen Worte hatten Jermyn vertrieben.
Sie seufzte und wunderte sich über sein seltsames Ehrgefühl. Es war nicht das erste Mal, dass sie deswegen aneinander geraten waren.
Sie hatte ihn gefragt, ob er beim Himmelsspiel jemals Einfluss auf seine Mitspieler nahm. »Was? Ich bin doch kein Betrüger!«, seine Entrüstung war offenkundig gewesen.
»Sonst hast du nicht solche Skrupel«, hatte sie eingewandt und ihn damit so gekränkt, dass er den ganzen Tag nicht mit ihr gesprochen hatte.
Auch bei seinen Diebereien würde er sich nur auf seine flinken Finger verlassen und ohne weiteres eine Hand riskieren. Dabei wünschte sie dringend, er möge beide Hände behalten, nicht nur wegen des Kletterns ...
Sie schauderte ein wenig und nahm sich vor, während des Hochzeitszuges stets in seiner Nähe zu bleiben, um ihm zu helfen, sollten Duquesnes Wachleute fähiger sein, als er in seinem Hochmut annahm.
Im Palast rührte sich nichts, auch Wag war unterwegs. Als sie durch das Übungszimmer ging, sah sie sehnsüchtig auf Jermyns Habseligkeiten, die überall verstreut lagen. Aber er kam nicht zurück und sie hatte den ganzen einsamen Abend Zeit sich auszumalen, was geschehen wäre, wenn LaPrixa
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