AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
begehen wollten.
»Was für Helden! Ihr traut euch ja doch nicht, jede Wette. Macht Platz!«
Der ärgerliche Protest verstummte, sie rückten eilig beiseite, als Jermyn und Ninian heranschlenderten. Jermyn drängte sich zwischen die jungen Männer, während Ninian sich auf den Brunnenrand schwang.
»Ach, du bist das. Wir ham dich gar nich erkannt, Patron«, brummte einer.
»Mach dir nichts draus, Schatz, es sei dir verziehen. Ich musste mich von meinen Stacheln trennen, die Hitze haben sie nicht ausgehalten. Womit wollt ihr Seine bastardliche Hoheit ärgern? Erzählt es eurem Onkel Jermyn, damit er euch gute Ratschläge geben kann, sonst landet ihr noch alle im Loch.«
Ein paar Burschen runzelten die Stirn, aber die meisten lachten. Eine selten friedliche Stimmung herrschte, selbst wenn sie es gewagt hätten, sich mit ihm anzulegen – die Hitze machte sie alle zu träge, um zu streiten. Bald johlten sie wieder, angestachelt durch Jermyns beißende Ausfälle gegen die Obrigkeit im Allgemeinen und Duquesne im Besonderen.
Von ihrem erhöhten Platz beobachtete Ninian ihn verstohlen. Nach dem Besuch im Badehaus hatte er nur das ärmellose, schwarze Wams übergestreift, er hockte unter ihr, die nackten Arme um die Knie geschlungen. Das kurzgeschorene, flammende Haar kräuselte sich feucht in seinem Nacken, er sah beinahe wieder aus wie der Junge im Haus der Weisen. Neu war nur der prahlerische goldene Ring, der sich an den braunen Hals schmiegte.
Er hob plötzlich die Hand an sein Ohr und drehte ein wenig den Kopf. Sie riss ihren Blick los und spürte verräterische Hitze in ihren Wangen. Hastig wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Gespräch neben sich zu.
»Sie wird nich durch die ganze Stadt getragen«, meinte eine ältere Frau, die sich mit einem fleckigen Handtuch den Schweiß unter ihrem Doppelkinn fortwischte. »Nur durch bestimmte Straßen.«
»Des hat dir der Patriarch gewiss höchstselbst mitgeteilt, was?«
Die Spötterin lehnte am Brunnenrand und genoss den feinen Wasserstaub, den der Wind ab und zu über sie sprühte. Die Frau nickte gewichtig, ohne auf die Stichelei einzugehen.
»Wollt ihr's wissen? Dann könnt's euch morgen gleich an die richtigen Plätze stellen.«
Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, die Mädchen rückten näher und auch die jungen Männer um Jermyn unterbrachen ihr Gespräch und hörten zu.
Geschmeichelt von so viel Aufmerksamkeit, legte sich die Frau das Handtuch um den Nacken und begann.
»Bei Sonnenaufgang reitet Artos vom Sasskatch sein Stadtpalast los un zieht mit großen Gefolge zum Palast von Sabeena. Sie sagt ihre Eltern ade un klettert in die Sänfte. Erst als Ehefrau kommt sie zurück un auch nur auf Besuch.«
Die Mädchen nickten wissend. Sie würden ihren Männern ohne große Zeremonie folgen, aber es gefiel ihnen, wenn alles nach Brauch und Sitte vor sich ging.
»Zuerst bringt man sie zum Palast von unsern Patriarchen, begleitet von ihren Alten, von Schwiegerpapa un ihren Zukünftigen. Sie handeln allerhand Verträge aus un der Patriarch gibt ein Festmahl, bei wo unser junger Herr Donovan feierlich begrüßt wird. Dann bleiben die Väter zurück un die Brautsleute begeben sich zum Tempel aller Götter, wo sie die Nacht verbringen, getrennt, un wenn möglich ins Gebet versunken.«
Die Frau zwinkerte fromm und ihre Zuhörer brachen in Gelächter aus.
»Wer denkt dann schon ans Beten?«, prustete eines der Mädchen und der junge Mann mit der Korbflasche rief keck: »Na, ich sicher nicht.«
Die anderen stimmten ihm zu, aber Ninian konnte sich Sabeena gut auf den Knien mit andächtig gefalteten Händen vorstellen. Ihr Blick wanderte zu Jermyn; er lachte nicht, sondern spielte nachdenklich mit dem Kupferring an seinem Zopf und sie ärgerte sich, ohne zu wissen warum.
»Am nächsten Tag beginnen die Priester bei Sonnenaufgang mit der Vorstellung und der Segensanrufung«, fuhr die Frau fort. »Des is wichtig, meine Lieben! Alle Schreine sin geöffnet, des Paar wird jeder Gottheit vorgestellt un muss sie um ihren Segen bitten. Des braucht seine Zeit, denn wenn sie eine Gottheit vergessen, gibt's nix wie Unglück in ihrer Ehe. In der Mitte vom Tempel knien sie nieder un geben sich die Hände. Der Hohe Priester legt zwei Bänder um ihre Handgelenke, eins aus Seide un eins aus Nesseln un hält 'nen langen Sermon, wo's vor allem um Pflichten un Schmerzen un Leiden geht. Wie's halt so is in die Ehe.«
Einige der älteren Zuhörer nickten wehmütig und das Mädchen
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