AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
rutschte von dem kalten Ofen, auf dem sie gesessen hatte und klopfte dem verstörten Wag aufmunternd auf die Schulter. Im Innenhof warf Jermyn Steine nach den Resten der Figuren, die einst die umgebende Mauer geschmückt hatten. Wenn er traf, sprangen große Stücke ab und das schien ihm eine grimmige Befriedigung zu verschaffen.
»Du musst deine Wut nicht an ihnen auslassen«, sagte sie vorwurfsvoll. Den Stein in der Hand wiegend, sah Jermyn sie von der Seite an.
»Nein? Muss ich das nicht?«
»Nein, und das weißt du auch«, antwortete sie fest. »Lass uns lieber zuschauen, wie sie die Stadt auf den Kopf stellen für diese großartige Feier.«
Sie taten das ausgiebig und darüber vergingen die letzten Wochen vor der Hochzeit und der Fruchtmond brach heiß und trocken an.
Im Tempel Aller Götter wurde der große Bilderfries im Inneren der Kuppel gereinigt. Als die Arbeiter gegangen waren, holten die Priester ehrerbietig ein Götterbild nach dem anderen aus seinem goldenen Schrein, befreiten es vorsichtig von Staub und Spinnweben und ordneten Schmuck und Beigaben. Nach der Hochzeit sollten die Bilder sieben Tage lang vor ihren Schreinen gezeigt werden, um dem Volk Gelegenheit zu geben, zu den Göttlichen zu beten und ihren Segen für das Brautpaar, den Patriarchen und die ganze Stadt zu erflehen. Bis dahin war allen außer den Priestern der Zugang verboten.
Auch dem Tempel der Liebesgöttin wurde besondere Sorgfalt zuteil. In seinem Allerheiligsten sollte im Angesicht der Göttin die Bettlegung stattfinden. Die Priesterinnen würden im Vorraum warten, um den Eltern und dem ganzen neugierigen Volk Deas den Vollzug der Ehe mitzuteilen.
In der Kaiserzeit war die öffentliche Bettlegung bei Eheschließungen von außerordentlicher Bedeutung üblich gewesen und die alten Männer hatten beschlossen, an diese geheiligte Tradition anzuknüpfen. Die Brautleute fragten sie nicht nach ihren Wünschen und niemand konnte sagen, wie ihnen dabei zu Mute war, denn weder Sabeena Castlerea noch Artos Sasskatchevan zeigten sich noch in der Öffentlichkeit. Das hinderte die schwatzhaften Bewohner Deas nicht, sich auf Straßen und Plätzen, in Schenken und Waschhäusern bis zum Vorabend der Hochzeit die Mäuler zu zerreißen und lose Reden über das bedauernswerte Paar zu führen.
»Sie tut mir leid, die Sabeena. Stellt's euch vor, morgen bei der Hitz' wird sie im Brautkleid durch die ganze Stadt getragen. Es soll über und über mit Edelsteinen bestickt sein, was das wohl wiegt?«
Das Bademädchen ließ das Schultertuch, unter dem sie nur ihr dünnes Hemd trug, über den Rücken hinabgleiten und fächelte sich mit dem Zipfel Kühlung zu.
»Ah was, mir tun eher die leid, die's tragen müssn«, erwiderte der junge Mann neben ihr und hob eine Korbflasche an den Mund.
Die Sonne war endlich hinter den Horizont gesunken, das gleißende Weiß des Himmels hatte sich zu tiefem Blau gemildert. Vom Meer her wehte eine leichte Brise und vertrieb die Schwüle aus den engen Straßen. LaPrixas Mädchen hatten sich auf den Stufen des Brunnens hinter dem Badehaus versammelt, um die abendliche Kühle zu genießen und ihre hellen Stimmen hatten die Bewohner des Häusergevierts aus der Bruthitze ihrer Wohnungen gelockt.
»Ah geh, die wechseln sich doch ab«, sagte das Mädchen, nahm ihm die Flasche ab und bediente sich kräftig. Der junge Mann rückte näher und schob seine Hand unter ihr Tuch.
»Lass des, für so was ist's viel zu heiß.«
Sie schüttelte ihn ab und gab ihm die Flasche zurück.
Von den unteren Stufen ertönte Gelächter. Ein paar junge Burschen hockten dort und machten sich über die Flut von Vorschriften lustig, die Duquesne erlassen hatte.
»Dem Bastard hat die Hitz' sein Hirn geschmolzen, der überschlägt sich noch. Vier Mal war der Ausrufer heut da, des arme Schwein war schon ganz heiser.«
»Jou, 's tät mich nich wundern, wenn ihm in der Nacht auch noch was einfallen tät. Glaubt der, des könnt man sich merken, was man alles lassen soll?«
»Ich versuch's gar nich erst! Soll'n sie doch versuchen, mich zu greifen, seine Hilfwärter!«
»Habt's gehört? Der dicke Solio aus der Seifensiedergasse hat sich auch von ihm anwerben lassen.«
»Was? Der Mehlsack? Das möcht ich erleben, wie der für Ordnung sorgt.«
»Wisst's was? Wir suchen ihn und schaun, ob er auch alles richtig macht.«
Sie lachten und überboten sich gegenseitig mit den Frechheiten, die sie unter der Nase von Duquesne und seinen Wächtern
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