AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
gelaunt. Auch waren viele brave Bürgersleute mit Frauen, Kindern und ihrem ganze Gesinde in der Menge und so ging es gemütlicher und gesitteter zu als sonst bei solchen Aufzügen.
Nicht zuletzt mochte die große Zahl der Wächter, die Duquesne aufgeboten hatte, dazu beitragen, die wilderen Elemente zu bändigen. Reihen von Männern in den blauroten Uniformen der Stadtwache hielten die Menschen von der Straße zurück, während die Hilfswächter sich unter das Volk gemischt hatten.
Sie trugen blaurote Kokarden am Hut und blaurote Schärpen quer über der Brust. Eine glänzende Silbermünze mit dem Bild des Patriarchen steckte daran. Diese Münze und zwei weitere für jeden Tag, den sie ihr Amt anständig versahen, waren ihr Lohn. Außerdem hatte Duquesne ihnen in lebhaften Farben ausgemalt, was geschehen würde, wenn sie nicht spurten.
Für die Nächte, die, gelinde gesagt, lebhaft würden, hatte er eine besondere Truppe bereitgestellt. Schläger, ehemalige Gladiatoren und freigelassene Galeerensklaven, durch Drohungen und Versprechungen gefügig gemacht, sollten drei Tage lang auf der Seite des Gesetzes die schlimmsten Auswüchse verhindern oder wenigstens dafür sorgen, dass sie auf gewisse Gegenden der Stadt begrenzt blieben. Diese Leute aber hielt er noch zurück, jetzt würden sie die Menge nur in Unruhe versetzen.
Die Hilfswächter hatten vorerst nicht mehr zu tun, als kleinere Streitereien zu schlichten und die Taschendiebe im Zaum zu halten. Für jeden ertappten Langfinger gab es ein Kopfgeld und die Wächter versahen ihre Aufgabe mit heiligem Ernst, wie mehrere leichtsinnige Gesellen schon zu ihrem Leidwesen erfahren hatten.
Als Ninian die vielen Hüte mit den blauroten Rosetten sah, schob sie sich näher an Jermyn heran.
»Siehst du, wie viele Wächter hier rumlaufen? Halt lieber deine Finger bei dir, sonst musst du am Ende deinen hehren Grundsätzen doch untreu werden.«
»Nur keine Angst, ich weiß schon, was ich tue.«
Er lächelte sie an und trotz ihres Ärgers über seinen maßlosen Leichtsinn machte ihr Herz einen Satz.
Wie sie geplant hatten, war sie bei Sonnenaufgang aufgestanden, aber als sie leise durch den Übungsraum ging, war Jermyns Pritsche leer. Mit allerlei finsteren Gedanken stieg sie hinunter. In der Küche fand sie Wag, wach, aber mürrisch und schweigsam. Vor lauter Vorfreude hatte er lange gezecht und sah aus, als habe er die drei Tage Wohlleben schon hinter sich. Die Morgenmahlzeit hatten sie an einer Garküche einnehmen wollen und so machte Wag sich nur mit Jermyns Kahwegeschirr zu schaffen. Das Quietschen der Mühle steigerte Ninians Gereiztheit, sie konnte kaum die bösen Worte zurückhalten. Als der herbe Duft durch die Küche zog, stieß Wag die Tür auf und meinte:
»So, das sollte ihn nu aber runterlocken.«
»Wie denn? Er ist ja gar nicht ...«
Sie hörten Schritte und stürzten in die Halle.
»Patron, wo kommste denn her?«
»Ja, ich dachte, wir wollten früh los!«
Jermyn war in voller Klettermontur, was Ninian lächerlich erleichterte. Wenn er irgendwo eingebrochen war, konnte er nichts anderes, schlimmeres getan haben ...
Obwohl seine Augen rotgerändert waren, grinste er beim Anblick ihrer ungeduldigen Gesichter.
»Oi, meine Süßen, was schreit ihr? Einen kalten Guss und, oh ja, Kahwe ... mehr brauch ich nicht.«
Er stürzte zwei Tässchen hinunter, verschwand auf der Galerie und kam, laut und falsch pfeifend, mit einem Bündel Kleider herunter.
»Dauert nicht lange. Brummschädel, Wag? Selbst schuld, was treibst du dich die ganze Nacht rum?«
Bevor Wag den Mund zu einer empörten Antwort öffnen konnte, war er fort.
Es dauerte in der Tat nicht lange, bis er mit feuchten Haaren aus der Badehütte zurückkam.
»Na los, was ist? Wenn wir hier noch lange rumstehen, sind alle guten Plätze weg. Wag, mein Schatz, kriegst du die Augen heute noch auf?«
»Schau dich selbst an, Patron, siehst auch nich taufrisch aus«, brummte der kleine Mann.
Jermyn musste wahrhaftig gut gelaunt sein, er lachte während er die bunte Schärpe festband, die er statt eines Gürtels benutzte.
Ninian ertappte sich dabei, dass sie ihn anstarrte. Sein Aufzug war einfach genug, schwarze Hosen, Stiefel. Aber er hatte seine Eitelkeiten und knisternd frische Wäsche gehörte dazu. Das Hemd mit den weiten Ärmeln stand bis zum Bauch offen, leuchtend weiß gegen die goldene Haut ...
Sie hatte den Blick hastig abgewandt. Den ganzen Weg in die Stadt hatte sie mit ihrer Verwirrung zu
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