AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
verdunkelten Zimmer beim Schein flackernder Kerzen.
So lebte Sabeena Castlerea wochenlang in einer künstlichen, nächtlichen Welt und nur die Jungfer, die ihren Liebhaber einließ, wusste von dem Verhältnis.
Sie überbrachte auch die zärtlichen, leidenschaftlichen Briefe, die Sabeena im Überschwang ihrer Verliebtheit schrieb. Ihre Mutter merkte nichts, denn Sabeena war stets ein stilles, zurückhaltendes Kind gewesen und solange sie tat, was man von ihr verlangte, ließ man sie in ihren Gemächern in Ruhe.
Nie wäre es Adela in den Sinn gekommen, sich auf die Bettkante ihrer Tochter zu setzen, um mit ihr zu plaudern oder sie mit liebevollen Augen zu betrachten. So blieb ihr die Veränderung verborgen, die mit dem behüteten Mädchen vorging.
Sachte begann der junge Mann anzudeuten, dass sie nur die Heirat mit Artos verhindern müsse, um ans Ziel ihrer Wünsche zu kommen. Sie redeten darüber wie dies zu machen sei, während sie in seinen Armen lag und sie spürte seine Lippen an ihrem Hals, als er zum ersten Mal vom Verschwinden des Brautschatzes sprach.
Sabeena war nicht so verblendet, dass sie bei diesen Worten nicht erschrocken aufgefahren wäre, aber mit Zärtlichkeiten und schmeichelnden Worten gelang es ihm, sie zu überzeugen, dass dies der einfachste Weg sei.
Der Vater hatte ihr den uralten Familienschatz gezeigt, da sie seine Erbin war und nach seinem Tode die Hüterin der ehrwürdigen Juwelen. Sie kannte ihre Geschichte und wusste, dass sie das schwere Diadem mit den barbarischen Steinen als Braut tragen musste, um verheiratet zu werden. War das Diadem verschwunden, konnte sie nicht Artos' Frau werden, zumal der Brautschatz Teil ihrer Mitgift war.
So geschah es, dass sie mit bebenden Händen die Schlüssel unter den Kissen ihrer Eltern hervorholte und in zwei Wachstäfelchen drückte, die ihr Geliebter vorsorglich mitgebracht hatte. In einer kühlen Frühlingsnacht führte sie, nicht nur vor Kälte zitternd, ihn und einen Komplizen zum Grundpfeiler des alten Palastes, in dem der Brautschatz ruhte.
Sie hatten die Juwelen schnell und leise aus der eisenbeschlagenen Kassette genommen und in einen dicken Ledersack gelegt. Der zweite Mann war mit dem Beutel verschwunden und das Liebespaar hatte sich zurück in Sabeenas Zimmer geschlichen.
Dort hatte ihr Geliebter ihre kalten Hände genommen, sie zärtlich geküsst und mit liebevollem Lächeln ihre Welt in Stücke geschlagen. Er hatte ihr freundlich für ihre Hilfe gedankt und sie ermahnt, niemandem etwas von dem Ganzen zu erzählen, wenn ihr etwas an der Ehre ihrer altehrwürdigen Familie lag. Er müsse sich nun leider verabschieden, da er ihrer Fadheit überdrüssig sei. Als er ihr kalkweißes, ungläubiges Gesicht sah, lachte er.
Hatte sie wirklich geglaubt, er habe ihren Leib genossen? Wie man sich doch irren konnte!
Er hatte die Maske fallengelassen und sie war vor der höhnischen Fratze darunter entsetzt zurückgewichen.
»Wenn du ein Wort sagst und dich unseren Forderungen verweigerst, hängen deine Briefe am nächsten Tag in der ganzen Stadt und das hier wird deine Mutter neben ihrem Gebetbuch finden.«
Er stieß ihr ein blutbeflecktes Tuch ins Gesicht und ihre Beine gaben nach. Wimmernd sank sie auf ihr Bett und wusste eine Weile nichts mehr von sich.
Als sie zu sich kam, war er verschwunden. Den Rest der Nacht verbrachte sie wie betäubt. Vergeblich versuchte sie zu begreifen, dass sie betrogen worden war und ein schreckliches Verbrechen verübt hatte. Sie hatte ihre eigene Familie bestohlen, ihre Ehre verloren und war ihrem grausamen Verführer hilflos ausgeliefert. Er konnte von ihr verlangen, was er wollte, denn die Briefe waren so eindeutig, dass ihr die Schamröte in die Wangen stieg, als sie daran dachte. Und das Tuch mit dem eingewebten Wappen der Castlerea – sie hatte es selbst mit ihren Initialen bestickt. Nach ihrer ersten Liebesnacht hatte er damit das Blut von ihren Schenkeln gewischt und es als Liebespfand eingesteckt.
Wie hatte sie glauben können, dass ein Edelmann so etwas tat, wie hatte sie überhaupt glauben können, dass ein ehrenhafter Mann ein unerfahrenes Fräulein verführte? Am Ende der langen, schrecklichen Nacht war sie gründlich und vollständig von ihrer Schwärmerei befreit, aber die Furcht blieb und ließ sie nicht mehr los.
Sie wurde noch stiller und zog sich so in sich zurück, dass es selbst ihrer Mutter auffiel. Aber Lady Castlerea schob es auf die Enttäuschung und Aufregung, die das Verschwinden
Weitere Kostenlose Bücher