AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
des Brautschatzes gebracht hatte und traktierte sie mit Stärkungstränken. Sabeena schluckte alles ohne Widerspruch und versank immer tiefer in Schwermut.
Ihre Verbündete, die Jungfer, war eines Tages verschwunden. Sabeena fürchtete schon, die Mutter habe etwas gemerkt und sie entlassen, aber dann hörte sie, wie Adela mit schneidender Stimme über die Treulosigkeit der Dienstboten schimpfte, die sich einfach davon machten.
So war Sabeena in dem großen Haus allein mit ihrer Angst.
Die Auffindung des Brautschatzes und die Hochzeitsvorbereitungen, die darauf folgten, berührten sie kaum. Sie ließ alles über sich ergehen, bis sie begriff, dass ihr Mann eine bedeutende Stellung unter den Vornehmen der Stadt einnehmen und einen Sitz im Rat bekommen würde. Sie begann zu ahnen, was man von ihr verlangen würde, wenn sie erst seine Frau war.
Die Angst lähmte sie so vollständig, dass sie nicht einmal die Kraft fand, ihrem Elend durch den Tod ein Ende zu machen.
Sie dachte daran, Gift zu nehmen, aber sie wusste nicht, wie sie daran kommen sollte, da sie keine Vertraute mehr hatte. Stürzte sie sich aus dem Fenster, brachte auch dies Schande über ihre Familie. So verharrte sie bewegungslos wie das Kaninchen vor der Schlange und ließ alles, die endlosen Anproben, die Unterweisungen ihrer Mutter, die Zusammenkünfte mit ihrem Bräutigam, willenlos mit sich geschehen.
Sie hatte nur Widerstand gezeigt, als sie hörte, dass es eine öffentliche Bettlegung geben sollte und der Vollzug der Ehe vor allen bekannt gegeben würde. Da hatte sie geweint und sich geweigert, die Priesterin der Liebesgöttin zu empfangen, bis ihre Mutter es befohlen hatte. Sabeena hatte ihre Weigerung nicht erklären können und da sie es ihr ganzes Leben lang gewohnt war zu tun, was Adela von ihr verlangte, hatte sie gehorcht.
Aber als die Priesterin ihr erklärte, wie der Vollzug der Ehe bewiesen werden müsse, hatte sie das Entsetzen gepackt.
Ihr Schleier war bereits zerrissen, sie hatte ihre Jungfernschaft verloren – es würde nichts zu sehen geben! Die Schande würde offenbar werden ...
Bei einem Opferfest im Tempel der Ahnen hatte sie erlebt, wie das Opfertier, eine weiße Färse, zum Altar geführt worden war. Das Tier hatte die Hufe in den Boden gestemmt und die großen Augen angstvoll aufgerissen, so dass das Weiße sichtbar wurde. Es hatte ihm nichts genutzt und sein Blut war über die Stufen in das Opferbecken geflossen. Wie diese Färse fühlte Sabeena sich. Auch sie würde vor dem Altar geopfert werden und sie konnte so wenig dagegen tun wie die dumpfe Kreatur.
So erwartete Sabeena Castlerea äußerlich teilnahmslos, innerlich zerrissen und wund ihren Hochzeitstag.
Als der Morgen wolkenlos heraufdämmerte, erwachte sie und lag einen Moment reglos im Nachhall eines seltsamen Traumes befangen. Seit vielen Nächten hatte sie nicht mehr richtig geschlafen und war erst gegen Morgen in einen unruhigen Schlummer gefallen, aus dem sie erschöpft erwachte. Heute dagegen fühlte sie sich erquickt und ein lang entbehrtes Gefühl des Friedens erfüllte sie. Im Traum hatte sich eine schattenhafte Gestalt über sie gebeugt.
»Hab keine Angst, dein Verführer ist tot, nichts kann dich bedrohen.«
Eine sanfte, tröstende Berührung hatte die ruhigen Worte begleitet, als nehme jemand eine Last von ihren Schultern.
Das Traumgefühl schwang in ihr nach, doch bald überfiel ihr Elend sie wieder mit ganzer Macht und sie ballte in ohnmächtigem Schmerz die Fäuste auf der Bettdecke. Etwas knisterte unter ihrer linken Hand und als sie sich erstaunt aufrichtete, fand sie einen kleinen Beutel. Am Abend zuvor war er nicht da gewesen, darauf hätte sie einen Eid geschworen.
Einen Augenblick lang spürte sie nur vages Erstaunen, dann sprang die Angst sie an.
Sie waren in ihr Zimmer eingedrungen, begannen, ihre Forderungen zu stellen, heute, an ihrem Hochzeitstag ...
Ihre erste Regung war, den Beutel ungeöffnet in das kleine Feuer zu werfen, dass trotz der sommerlichen Hitze in ihrem Kamin brannte.
»Hab keine Angst.«
Die Stimme des Traumes. Mit zitternden Finger öffnete sie den Beutel und fand drei engbeschriebene Blätter darin und ein zusammengefaltetes Tuch mit bräunlichen Flecken. Wie betäubt las sie:
»Mein süßer Geliebter, dieses Blatt müsste in Flammen aufgehen, so heiß brennt meine Sehnsucht nach dir ...«
Aufschluchzend knüllte sie das dünne Papier in ihrer Faust zusammen. Es waren ihre eigenen törichten Briefe. Quer
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