AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
waren gespannt. Bitter erkannte er, dass ihm die Kraft fehlte, all diese Männer zu lenken oder Duquesnes Sperren niederzureißen. Die heftigen Gemütsbewegungen der letzten Stunden – Verzweiflung und Hass, dazu die Anstrengungen der Hetzjagd, schwächten ihn.
Beherrsche deine Gefühle, lass dich niemals gehen. Wie ein höhnisches Echo klangen Vater Dermots Worte in ihm nach. Geschlagen zog er sich zurück und verschloss sich selbst nach allen Regeln seiner Kunst.
Wenigstens sollte der Bastard ihn nicht aushorchen. Doch Duquesne machte keine Anstalten, ihn geistig anzugreifen.
»Was hattet ihr miteinander zu schaffen?«, fragte er barsch.
»Was geht es dich an?«, gab Jermyn herausfordernd zurück. Duquesne runzelte die Brauen.
»Sei so unverschämt wie du willst, ich nehme euch beide wegen Störung des Stadtfriedens fest und werde es herausfinden.«
Bemüht seine Verzweiflung zu verbergen, erwiderte Jermyn spöttisch: »Seit wann steckt der Bastard des Patriarchen seine Nase in jeden Wirtshausstreit? Wir konnten uns nicht über den Besitz einer Hure einigen – hattest du am Ende selbst ein Auge auf sie geworfen?«
Er hatte sehr laut gesprochen. Zorniges Murren erklang aus den Reihen der Wächter und sie rückten drohend näher. Duquesnes Gesicht hatte sich noch dunkler gefärbt, aber er hob die Hand.
»Wartet, lasst euch nicht reizen. Er faselt nur, um uns abzulenken. Wir nehmen beide mit, auch den kleinen Schwächling und die Hexe.«
Jetzt erst bemerkte Jermyn LaPrixa, die von drei Männern gehalten wurde und ihm bitterböse Blicke zuwarf. Er beachtete sie nicht, er musste Zeit gewinnen, es konnte nicht sein, dass ihm seine große Sache, sein Meisterstück entglitt.
»Ich denke nicht daran mitzukommen. Ich habe nichts getan, was den Frieden der Stadt stören könnte. Die Sache ist nur zwischen ihm und mir. Fass mich nicht an!«, fuhr er den Wächter an, der ihn am Arm packte. Er duckte sich, griff zum Stiefelschaft und plötzlich blitzte das Messer in seiner Hand. Der Wächter wusste nicht, dass er nicht sonderlich geschickt damit war. Hastig ließ er sein Opfer los und wich einige Schritte zurück.
Jermyn verharrte in seiner gebückten Haltung und die Schützen hoben ihre Bögen.
»Nicht schießen!« Oh, ja, Duquesne brauchte ihn lebend, ohne schwere Verletzung. Die Bögen sanken herab. Sie rückten näher und fieberhaft suchte Jermyn nach einer Lücke, einem schwachen Punkt in der Kette.
Ein heftiger Stoß traf ihn in den Rücken, hinterließ eine brennende Spur an seiner Seite.
Er stürzte vornüber und schlug hart auf das bucklige Pflaster. Schreie gellten durch die Luft, dann durchschnitt das helle, durchdringende Sirren einer Bogensehne den Lärm. Ein schwerer Körper brach über ihm zusammen, begrub ihn unter sich. Der Aufprall raubte ihm den Atem und einen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen, aber Duquesnes überschnappende Stimme brachte ihn zur Besinnung.
»Du Narr, du vollkommener Trottel, hab ich den Befehl zum Schießen gegeben? Es war nicht nötig, du Schwachkopf, verdammt! Los, seht zu, ob wenigstens der andere noch lebt.«
Das Gewicht verschwand, unsanft wurde er hochgerissen und kam taumelnd auf die Beine. Etwas lief warm an seiner Seite herunter, durchnässte seinen Kittel. Blut sickerte ihm in die Augen und er wischte es benommen weg. Vor ihm lag der Mann mit dem Goldnagel auf dem Rücken, die Glieder weit gespreizt. Die Augen stierten ins Leere und aus seiner Brust ragte ein blaurot gefiederter Pfeil. Seine Hand umklammerte noch den Dolch, den er gegen Jermyn gerichtet hatte.
»Du hirnverbrannter Narr, wer hat dir befohlen zu schießen?«
Jermyns Blick fiel auf Duquesnes verzerrte Miene und er vergaß seine Schmerzen. Fortunagras Neffe war tot, nur er selbst wusste jetzt über den Brautschatz Bescheid. Duquesne war auf Gedeih und Verderb von ihm abhängig.
Während sie geredet hatten, musste der Mann das Bewusstsein erlangt haben. Angetrieben von der seltsamen Treue, die er seinem Onkel hielt, hatte er versucht, Jermyn zum Schweigen zu bringen. Duquesnes Bogenschütze, der seinen Hauptmann in Gefahr glaubte, hatte auf eigene Faust gehandelt.
Der Wächter bekam keinen Dank für seine Mühe. Duquesne stauchte ihn zusammen, bis der arme Kerl mit eingekniffenem Schwanz in die Reihe zurückschlich. Aber der Schaden war geschehen.
Jermyn sah sich unauffällig nach einer Fluchtmöglichkeit um – vergeblich, die Bogenschützen hatten den Kreis fest geschlossen und ließen ihn
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