AvaNinian – Zweites Buch
zusammenhängen!«
Sie tat unbekümmert, aber Kaye entging das verdächtige Funkeln in ihren Augen nicht.
»Du musst mir helfen«, fuhr sie hastig fort, »ich will zu den Freien Tänzen auf dem Volksplatz. So wie ich bin, lachen sie mich dort aus. Hast du nicht ein Kleid, in dem ich ein bisschen, hm ... hübsch aussehe?«
Sie lachte verlegen und Kaye musterte sie fachmännisch. Das enge, hochgeschlitzte Überkleid hatte er geschneidert. Es enthüllte ihre schlanke, zierliche Gestalt, aber keinen Schimmer Haut, sie wirkte gelenkig, kämpferisch, nicht verführerisch. Die Beine in den schwarzen Strümpfen zogen sicher manchen Blick auf sich, aber aufreizend wie das Aufblitzen schmaler Fesseln und hoher Schenkel unter einem auffliegenden, langen Rock war das nicht. Dabei war sie betörend, formvollendet wie ein Bildnis der Alten und es war ein Jammer, dass sie nichts von sich zeigte. Unwillkürlich dachte er an die Valois, die ohne Hemmungen auch das zeigte, was sie nicht hatte, die magere Henne! Er kicherte boshaft.
»Du willst hübsch aussehen? Warte, da hab ich was!«
Wenig später stand Ninian vor dem großen Spiegel und starrte ungläubig auf ihr Ebenbild.
Das Licht der Kerzen schlug blitzende Funken aus den winzigen Kristallperlen, mit denen das Mieder bestickt war. An Brust und Rücken war es so tief ausgeschnitten, dass sie zuerst nicht glauben wollte, dass es halten würde, aber als Kaye die Schnüre auf ihrem Rücken geschlossen hatte, saß es wie eine zweite Haut. Nachdem sie sich an das Gefühl, halbnackt zu sein, gewöhnt hatte, konnte sie sich so frei bewegen wie in ihrem bequemen Kittel.
An das Mieder nestelte Kaye Lage um Lage eines hauchdünnen Stoffes, wie Ninian ihn noch nie gesehen hatte. In die letzte Schicht waren Silberfäden verwebt, so dass das Licht bei jeder Bewegung wie Wasser über die Röcke lief. Sie schwangen um die Knöchel und schmiegten sich an Ninians Beine, als habe der Stoff ein Eigenleben.
»Dreh dich, Süße!«, befahl Kaye. Sie gehorchte entzückt und die Röcke umschwebten sie als schimmernde Wolke. Ärmel aus dem gleichen Gewebe hatte er an schmalen, silberdurchwirkten Bändern befestigt, die kaum die Rundung ihrer Schultern bedeckten. Dieselben Bänder rafften den Stoff um ihre Arme, er war so zart, dass die nackte Haut zu sehen war.
Keine der Roben, die sie am Abend zuvor gesehen hatte, konnte sich an herausfordernder Gewagtheit mit diesem Kleid messen und dabei leuchtete es im reinsten, unschuldigsten Weiß. Schon einmal hatte sie ein weißes Ballkleid getragen und die Männer hatten sie schön gefunden, aber selbst der Mondenschleier hatte nicht das bestrickende Wesen aus ihr gemacht, das ihr aus dem Spiegel entgegensah!
Kaye rieb sich zufrieden die Hände.
»Grandios, wunderbar - ich wusste es. Du füllst es aus und es steht dir viel besser, mir war sowieso nicht wohl bei ihrem blonden Haar ...«
»Aber Kaye«, flüsterte Ninian, »das Kleid muss ein Vermögen wert sein. Wem gehört es?«
»Mir«, erwiderte er kurz, »und es ist ein Vermögen wert, aber das hätte ich eh nicht wiedergesehen. Ich hab es mehr für mich gemacht, als für die Dame, die es tragen sollte. Sie wird mich nie bezahlen und da geb ich es lieber dir. Es passt dir wie angegossen, meine Schöne. Hier, der Schuhmacher und ihre Putzmacherin haben ihre Kunstwerke hergebracht, damit sie gleich alles zusammen anziehen konnte.«
Er stellte zwei Körbe auf den Tisch. Aus dem einen holte er weiße, gewirkte Strümpfe und ein Paar weiße, mit winzigen Perlen bestickte Tanzschuhe. Auch sie passten, als hätte der Schuhmacher bei Ninian Maß genommen.
Kaye drückte sie auf den Stuhl und begann ihre wirren Locken zu bearbeiten, bis ihr die Tränen in die Augen stiegen. In dem zweiten Korb fand er ein silbernes Netz, besetzt mit weißen Steinen, mit dem er die dunklen Locken bändigte. Einige Strähnen zupfte er heraus, so dass sie sich auf Nacken und Schultern ringelten. Dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete sie prüfend mit schief gelegtem Kopf.
»Etwas Farbe auf die Lippen und Puder, hm, ja Puder und ein wenig Goldstaub aufs Dekolleté, damit es nicht so auffällt, wenn du rot wirst. Aah, siehst du, ich weiß, wovon ich spreche. Du bist es nicht so gewohnt, deine Reize zur Schau zu stellen wie die großen Damen!«
Er hantierte geschickt mit Lippenrot und Hasenpfote, bis ihre Haut wie Perlmutt schimmerte und zuletzt holte er eine kleine Phiole aus einem Kästchen. »Leg den Kopf
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