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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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das Ruinenfeld gingen und den Weg zum Alten Zirkus einschlugen.
    Wag hatte Jermyn den ganzen Tag über nicht zu Gesicht bekommen. Ninian war heruntergekommen, er hatte durch den Türspalt gelugt, aber ihre Miene war so finster, dass er nicht gewagt hatte, sie anzusprechen.
    Kamante hatte schweigsam und in sich gekehrt in der Kaminecke gesessen. Manchmal war sie eingenickt, aber wenn er sie zu Bett bringen wollte, war sie wieder erwacht und hatte eigensinnig gesagt, sie wolle lieber bei ihm in der Küche bleiben. Gerührt hatte Wag sie gewähren lassen. So war der dritte Tag der Wilden Nächte trübsinnig und ereignislos vorübergegangen, aber Wag dachte mit Sorgen an den Abend.
    Halb und halb hatte er erwartet, dass Jermyn sich wieder in einen jungen Herrn verwandeln würde wie bei der Eröffnung der Gladiatorenschule. Doch als er in die Küche kam, war er, wie am Abend zuvor, schäbig gekleidet. Wäre nicht der goldene Ohrring gewesen, hätte man ihn für einen der unzähligen armen Burschen halten können, die sich in den Straßen herumtrieben und auf mehr oder weniger ehrliche Weise ein paar Münzen zu ergattern suchten. Sein Gesicht war blass und unbewegt.
    »Los, wir gehen!«
    Wag unterdrückte einen Seufzer und erhob sich zögernd. Er sah Kamante mahnend an.
    »Bleib, wo du bist, Mädchen, rühr dich am besten nich vom Fleck bis ich wieder komm. In der dritten Nacht is da draußen immer die Hölle los, viel schlimmer als gestern ...«
    »Quatsch nicht«, unterbrach Jermyn ihn grob, »hier ist sie geschützt. Wenn sie den Hals noch nicht voll hat von nächtlichen Abenteuern, geschieht es ihr recht, dass die Masken sie erwischen. Heute werden wir nicht zu ihrer Rettung eilen!«
    Er hielt Kamantes Blick fest. Langsam stieg das Blut in ihre dunklen Wangen, sie hätte die Augen niedergeschlagen, wenn sie gekonnt hätte. Leise wimmernd wand sie sich auf ihrem Platz. Jermyn lächelte dünn und gab sie frei.
    Wenig später hechelte Wag atemlos hinter seinem Herrn her. Ihm war äußerst unwohl zumute - Jermyns seltsame Ruhe, das maskenhafte Gesicht mit den ausdruckslosen Augen ängstigten ihn. Dabei schritt er zielstrebig aus, er schien zu wissen, wohin er wollte.
    Am Nachmittag hatte Jermyn bei seinem Allheilmittel Zuflucht gesucht - dem Klettern.
    Die Wintermonde hatten hin und wieder Frost gebracht, der den Ruinen übel mitgespielt hatte. An vielen Stellen war das Jahrhunderte alte Mauerwerk brüchig und die starken Regenfälle der letzten Zeit hatten ein Übriges getan, um den Aufstieg zu einer gefährlichen Angelegenheit zu machen, die alle Aufmerksamkeit erforderte. Es blieb kein Raum für nutzloses Grübeln, dennoch hatte Jermyn es so eingerichtet, dass er die kleine Pforte im Auge behalten konnte, und am späten Nachmittag sah er von seinem luftigen Sitz, wie Ninian den Palast verließ. Nicht herausgeputzt, wie er befürchtet hatte, sondern in ihrer alltäglichen Kleidung. Sie hatte es eilig, rannte beinahe über die brüchigen Platten und verschwand schnell aus seinem Blick.
    Der mühsame Abstieg über den mürben Sandstein half ihm, der Versuchung zu widerstehen, ihr im Geist zu folgen, aber sein Zorn über ihren Wankelmut wuchs und als er in ihrem düsteren, verlassenen Schlafzimmer stand, hegte er wahrhaft unfreundliche Gedanken gegen sie.
    Ihre Kleider lagen verstreut auf dem großen Bett, als habe sie eines nach dem anderen herausgenommen und verworfen. Ein deutlicher Geruch nach Bilhakraut hing in der Luft und der rötliche Schein des Feuers spielte über den bauchigen Glaskörper, der herausfordernd vor dem Kamin stand. Die Botschaft war unmissverständlich:
    Bleib mir vom Leibe, heute mache ich, was ich will!
    »Warte meine Schöne, du wirst dich wundern«, dachte er finster.
    Im Übungsraum glühte Holzkohle im Feuerkorb, was er gewiss nicht Ninians Fürsorge zu verdanken hatte.
    Er holte einen ledernen Geldgürtel, riss den Bretterverschlag vor dem Mauerdurchbruch auf, so dass die klamme Winterluft hereinströmte, und kletterte auf den Wachturm. Dort füllte er den Gürtel mit Goldstücken. Heute würde er sich nicht mit Silberzeug abgeben, Ninian zum Trotz. Sie liebte es nicht, wenn er um hohe Einsätze wettete, aber sie musste es ja nicht mit ansehen.
    Er schnallte den schweren Gürtel um und kletterte zurück. Den Verschlag ließ er offen.
    Sie hatten verabredet, dass sie ihre verdammte Pfeife nicht in den geschlossenen Räumen rauchte, also geschah es ihr recht, dass sie ein kaltes, feuchtes

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