AvaNinian – Zweites Buch
missbilligenden Blicke doch das gleiche Unbehagen, die gleichen Schuldgefühle in ihr wach.
Während sie sich so in die tolle Laune hineinsteigerte und die Bewunderung der Herren und ihre Macht über sie in vollen Zügen genoss, verdüsterte sich die Laune der anderen Damen zusehends. Sie fühlten sich vernachlässigt, ausgestochen von der unbekannten Schönheit, die alle ihre Verehrer in einen seltsamen Bann geschlagen hatte, so dass sie noch über die Schulter ihrer Tänzerin hinweg die Köpfe nach ihr verrenkten. So leicht und schwerelos flog sie in ihrem Mondscheinkleid dahin, dass ihre Rivalinnen sich in ihren prächtigen, goldbestickten Roben schwerfällig und ungelenk fühlten. Sie standen zusammen wie eine Schar erboster Schmuckvögel aus den südlichen Reichen und wie jene gaben sie misstönende Schmähungen von sich.
Ninian ließ ihre Empörung kalt. Bei der Eröffnung der Gladiatorenschule hatte sie sich über diese Damen geärgert, ihre verächtlichen Blicke und abfälligen Worte. Nun zahlte sie es ihnen heim und scherte sich einen Dreck um ihren Zorn. Nur Violetta ap Bede, die ein wenig verloren ohne Tänzer am Rand der Tanzfläche stand, grollte sie nicht.
Als die Musik einen Augenblick stockte, da die Musiker ihre trockenen Kehlen befeuchten mussten, drängte sich Donovan zu ihr, ergriff ihren Arm und zog sie zur Seite. Schweiß stand auf seiner Stirn und die Pein in seinem Herzen ließ ihn alle Zurückhaltung vergessen.
»Du vergisst dich, Ava von Tillholde«, seine Stimme zitterte, »du beleidigst die Damen! Was würde deine Mutter dazu sagen oder die Guten Väter? Sie würden dich nicht wiedererkennen.«
Ninian entriss ihm ihren Arm, sie war blass geworden.
»Verschwinde, Donovan, du bist nicht zum Wächter über mein Benehmen bestellt!«
Sie rauschte hocherhobenen Hauptes davon, streckte den Herren, die sie freudig empfingen, die Hände entgegen und trieb es schlimmer als zuvor.
Nicht nur Donovan versuchte sie zurückzuhalten. Als sie beim nächsten Wechseltanz durch die Gasse der Paare schritten, raunte ihr Tänzer:
»Seid vorsichtig, Fräulein, Ihr verärgert die hohen Damen. Das ist nicht ungefährlich, besonders in dieser Nacht!«
Ninian sah überrascht zu ihm auf. Ein Edelmann, sorgfältig nach der letzten Mode gekleidet, aber nicht mehr in der ersten Blüte der Jugend. Einer der Palastwächter in dem Gewölbe vor der Schatzkammer ... Als sie sich am Ende der Gasse die Hände reichten, um ein Tor zu bilden, neigte er leicht den Kopf.
»Erastes de Battiste, Hauptmann der fürstlichen Garde, zu Euren Diensten, Fräulein.«
Sie deutete schnippisch einen Knicks an.
»Ich weiß, aber bemüht Euch nicht, Wachmann, ich kann sehr gut auf mich aufpassen. Eure hohen Damen machen mir keine Angst!«
Als sie jedoch die aufrichtige Besorgnis in seinem Gesicht sah, setzte sie sanfter hinzu:
»Aber ich danke für Eure gutgemeinte Warnung!«
Kaum war der Tanz beendet, zog sie ihre Hand aus der seinen.
»Wenn Ihr den Ritter spielen wollt«, warf sie ihm über die Schulter zu, »dann kümmert Euch um die arme Violetta.«
Sie deutete auf das blonde Mädchen, das einsam an dem Pfosten lehnte und sehnsüchtig auf die Tanzenden blickte. Schon stand der nächste Tänzer bereit und in einem Wirbel weißer Röcke war sie verschwunden.
Battiste aber wunderte sich und fragte sich zum hundertsten Mal, wer dieses kecke Fräulein war. Sie kannte ihn, auch einige der anderen Herren und Damen, sprach und bewegte sich wie ein Edelfräulein - und hatte Schwielen an den Händen wie eine Stallmagd!
Er gesellte sich zu der Kaufmannstochter, die er seit einiger Zeit im Gefolge der Fürstin gesehen hatte, und nach einigen höflichen Worten fragte er: »Kennt Ihr die weißgekleidete Dame, mein Fräulein?«
Violetta schüttelte den Kopf und seufzte neiderfüllt.
»Nein, ich zerbreche mir den Kopf über sie. Manchmal glaube ich, sie zu kennen, aber es will mir nicht einfallen, woher. Ich wünschte, ich könnte tanzen wie sie!«
»Ich bin sicher, Ihr könnt es ebenso gut«, erwiderte Battiste galant und bot ihr seine Hand, die sie erstaunt und dankbar annahm.
Die Nacht war weit fortgeschritten und in das Brausen der Menge mischte sich einen tiefer, drohender Unterton. Einige ältere Herren hatten Donovan schon geraten, den Tanz zu beenden. Die tiefsten Stunden der letzten Nacht nahten, die Hohe Zeit der Dunklen Götter. Bald war es nicht mehr möglich, die vornehmen Damen sicher nach Hause zu bringen.
Noch
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