AvaNinian – Zweites Buch
zu mir, ich brauche dich! Ich verlange nichts von dir, keine Liebe, nichts, was du nicht geben willst. Ich bitte dich nur um deine Hilfe, deine Unterstützung. Wenn du mir mit deinen Kräften zur Seite stehst, kann ich diese Stadt so ordnen, wie es gut wäre. Wir könnten zusammen herrschen und sie zu ihrer alten Größe zurückführen. Du weißt, was es heißt, Verantwortung zu tragen, einem Gemeinwesen zu dienen, auch du warst dafür ausersehen. Diese Stadt - sie ist unsere Heimat, die Menschen, die hier leben, sind unser Volk. Wir müssen es führen und schützen, zusammen würden wir es schaffen. Komm zu mir, Ninian ... «
Nach Atem ringend verstummte er. Sie hob den Kopf und musterte ihn.
»Weißt du, Duquesne«, begann sie kalt, »Jermyn hat mal gesagt, du bekämst Schaum vor dem Mund, wenn du von der Stadt und der Sorge für das Gemeinwesen sprichst, und ich muss sagen, er hatte recht, wie immer. Gehab dich wohl ... Stadtwächter!«
Er hatte sich so in Eifer geredet, dass er nicht gemerkt hatte, wie sich ihr Gesicht verfinsterte. Aus jedem Wort hörte sie einen Vorwurf. Seine begeisterte Stimme riss sie aus dem angenehmen Rausch heraus, in dem sie sich gewiegt hatte, erinnerte sie an die Aufgabe, der sie sich entzogen hatte, als sie Jermyn in die Große Stadt gefolgt war. Und als er von Liebe sprach, musste sie daran denken, dass sie gerade eine andere Liebe verriet. Kalter Zorn stieg ihn ihr hoch.
Heute Nacht wollte sie keine Gewissensbisse haben, sie wollte lustig sein und nicht an Pflicht und Treue denken! Verächtlich wischte sie einen eingebildeten Speicheltropfen von der Schulter, raffte ihre Röcke zusammen und ließ ihn stehen.
Wie unter einem Peitschenhieb war Duquesne vor ihrem Hohn zusammengezuckt. Nicht nur ihre Worte hatten ihn im Innersten getroffen - die Sperren, die ihn vor den Empfindungen der anderen schützten, waren in der plötzlichen Gefühlsaufwallung durchlässig geworden. Ihre zornige Verachtung war über ihn hinweggebraust, sie hatte erbarmungslos seine geheimsten Wünsche, seine sorgfältig verborgenen Hoffnungen in den Schmutz getreten.
Der Hass gab ihm Kraft, scheinbar gelassen zu bleiben und sich vor den neugierigen Blicken der hohlköpfigen Gaffer nichts anmerken zu lassen. Sie mussten sich gewundert haben, dass er so lange und eindringlich mit einem vornehmen Luder gesprochen hatte. Gäbe er dem überwältigenden Drang nach fortzustürzen, so hätten sie etwas, um ihre Zungen zu wetzen. Und sie sollte schon gar nicht sehen, wie sehr sie ihn verletzt hatte!
Mit verschränkten Armen blieb er stehen und der Ausdruck seiner Augen war von solch tödlicher Kälte, dass niemand es wagte, seine Blicke zu kreuzen.
Ninian aber stürzte sich mit doppelter Wildheit in den Tanz. Als sie zornbebend auf die Tanzfläche zurückgekehrt war, tanzte gerade das blonde Dämchen, das ihr Kleid geschmäht hatte, an der Hand des schwarzlockigen Jünglings vorbei. Über ihren Kopf hinweg lachte er Ninian an. Sie legte der Dame ihre Hand auf den Arm und flötete:
»Gestattet, meine Liebe, Ihr seht müde aus, ich löse Euch gerne ab.«
Mit schmeichelhaftem Gehorsam gab der junge Mann seine überraschte Tänzerin frei, Ninian nahm ihren Platz ein und lachend tanzten sie davon, während Margeau ihnen in sprachloser Wut nachstarrte.
Und so ging es fort, Ninian tanzte, als sei ein Dämon in sie gefahren. Mühelos, ohne zu ermüden, flog sie über den Tanzboden, von einem Arm in den anderen. Die prickelnde Kraft, die sonst sorgfältig gebändigt unter ihrem Herzen saß, floss durch ihre Adern und schwemmte alle Hemmungen hinweg. Sie strahlte aus ihren Augen und zog die Männer mit unwiderstehlicher Macht an, so dass sie sich darum stritten, mit ihr zu tanzen. Zwei gerieten, vom Wein erhitzt, aneinander, weil sie beide ihr Kopfnicken auf sich bezogen hatten, und gingen zu Boden, was für einige Verwirrung auf der Tanzfläche sorgte. Ninian aber ergriff lachend die eifrig dargebotene Hand eines dritten und stieg unbekümmert über die Streithähne hinweg.
Die Blicke aller Männer waren auf das weiße Fräulein gerichtet, dessen Füße den Boden nicht mehr zu berühren schienen, und wie verzaubert folgten sie ihrem Wink. Nicht jeder schien ihr jedoch recht zu sein. Einem hübschen Edelmann beschied sie:
»Sucht Euch jemanden unter den Vorstadtgänschen, Lozzo, die haben Euch doch gestern so gut gefallen!«
Auch Donovan mied sie seit dem unseligen Gespräch mit Duquesne, riefen seine unglücklichen,
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