AvaNinian – Zweites Buch
Heldentaten vollbracht habt.«
Sie ging zu weit.
»Lacht nicht, Fräulein, da draußen lauern wilde Bestien, die Euch ohne Gnade zerreißen würden, wenn wir nicht aufpassten«, sagte er ernst.
»Ich weiß, Duquesne, ich weiß.«
Sanft berührte sie die Schwellung an seinem Kinn und er zuckte zusammen. Sie hatte gesprochen, als wüsste sie es tatsächlich.
Das Mädchen wandte sich ab und sah den Tanzenden zu.
Als Ninian Duquesne erkannte, hatte sie eine tolle Lust ergriffen, ihre Reize an ihm zu erproben. Donovans schafsäugige Anbetung war langweilig, es lockte sie, den gefährlichen Gegner herauszufordern, den sie bei ihrer letzten Begegnung so gedemütigt hatten. Er sollte sie bewundern, wie alle Männer an diesem Abend, und ohne sich zu besinnen, war sie zu ihm getreten. Als er ihr das scharfgeschnittene Antlitz mit den eisblauen Augen zugewandt hatte, war ihr durch den Kopf gegangen, was für ein schöner Mann er war, und das Spiel mit der Gefahr bereitete ihr einen angenehmen, prickelnden Kitzel.
Jetzt wurde ihr unter seinem Blick unbehaglich.
Was trieb sie da? Für einen Augenblick sah sie Jermyns wütendes, gekränktes Gesicht vor sich und ihr Herz zog sich zusammen. Doch der glänzende Reigen vor ihren Augen und die aufpeitschenden Klänge der Musik legten einen Schleier über sein Bild und sie lächelte dem dunklen Mann an ihrer Seite zu.
Duquesne hatte den Blick nicht von ihr losreißen können. Gegen seinen Willen wanderte er über die biegsame Gestalt, den schimmernden Busen, der sich schneller hob und senkte, als schlüge ihr Herz heftiger. Das Mieder glitzerte verwirrend und der zarte Stoff des Ärmels hatte sich im Eifer des Tanzes von dem silbernen Schulterband gelöst. Auf der glatten, hellen Haut, gerade unterhalb des Bandes, verlief ein breiter, roter Streifen. Eine gerade verheilte Wunde, von einem Dolchhieb oder Pfeilschuss. Gebannt starrte er darauf. Wie kam eine vornehme junge Frau zu einer solchen Verwundung? Eine zierliche, aber kräftige junge Frau, mit dunklen Haaren und einer Stimme, die ihm bekannt vorkam, eine fremde Fürstentochter, die nicht brav zu Hause geblieben war ...
Als Ninian wieder zu ihm aufsah, waren seine Augen kalt wie die Gletscher ihrer Heimat. Unwillkürlich straffte sie sich.
»Du bist sehr mutig«, murmelte er heiser. »Ich könnte dich festnehmen lassen, selbst die Wilden Nächte schützen nicht bei Verbrechen, wie du sie begangen hast.«
»Versuch es nur«, erwiderte sie kühl und betrachtete ihre Fingerspitzen, auf denen winzige blaue Funken tanzten. Duquesne schwieg, die Erinnerung an seine Demütigung stieg heiß in ihm auf.
»Wo steckt er, dein ... Freund?«
Sie verzog unmutig die roten Lippen.
»Er ist nicht hier. Wieso glaubt ihr alle, dass ich keinen Schritt ohne ihn tun kann? Wir sind getrennte Wege gegangen ... heute Nacht«, setzte sie halb widerwillig hinzu.
Duquesne schwindelte. Sie hatte ihm übel mitgespielt, diese Komplizin und Geliebte seines Feindes. Aber sie war ein außergewöhnliches Mädchen, das einzige, das ihn jemals angezogen hatte. Heute Abend schien sie ihm so schön und verführerisch, dass ihm das Blut in den Schläfen sang. Mit überwältigender Macht stieg das Gefühl seiner Einsamkeit in ihm auf. Sie war hoch geboren wie er, aber hoher Stand bedeutete ihr nichts, sie würde nicht auf ihn herabblicken. Wenn sie mit ihren Fähigkeiten an seiner Seite stand, würde er herrschen können, ohne Intrige und Verrat ...
Als er in das liebliche Gesicht sah, aus dem der Spott verschwunden war, begann er, übermüdet, benommen vom Wein und wund von seinem einsamen Kampf, hastig zu sprechen.
»Trenne dich ganz von ihm, Ninian. Komm zu mir. Er ist deiner nicht wert, ein Lump, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Er weiß nichts von der Sorge für andere, von Verantwortung. Schau dir an, wofür er die Gabe nutzt, die ihm die Götter geschenkt und die Guten Väter für ihn geschult haben. Er kommt aus der Gosse und er wird sich nie darüber erheben, selbst wenn er in einem Palast wohnt. Woher weißt du, dass er dich nicht behext hat? Mit deinen Kräften kommst du ihm gerade recht für seine miesen Zwecke. Benutzt er dich nicht genauso, wie er alle anderen benutzt? Und seine Liebe? Glaubst du, dass er jemals einen anderen Menschen mehr lieben kann als sich selbst? Du bist für ihn nichts weiter als eine Waffe, die er mit allen Mitteln an sich binden will!« Er holte tief Luft. »Aber du, Ninian, du bist anders. Verlass ihn, komm
Weitere Kostenlose Bücher