AvaNinian – Zweites Buch
überforderten ihn und er sah seinen Patron hilflos an.
Jermyn seufzte. »Wenn sie sagt, hier sei der Eingang, dann ist er hier, kapiert? Los, mach schon, wir haben nicht viel Zeit. Nimm deinen Zinken weg, Babitt!«
Babitt nickte Mule mürrisch zu, der große Mann holte zum Schlag aus und ließ die Hacke niedersausen. Unter dem ersten Hieb bröckelte das scheinbar feste Gestein und gab eine Mauer aus den flachen Ziegeln frei, die die Alten für ihre Bauwerke benutzt hatten.
»Schau ma, sie hatte recht, Patron«, sagte Mule einfältig und schlug mit größerem Eifer weiter. Bald lag die Mauer frei, aber ihre Erbauer hatten gute Arbeit geleistet. Obwohl Mules Arme unermüdlich auf und nieder gingen, hatte er nur eine kleine Lücke gemacht, als er die Spitzhacke absetzte, um sich einen Moment auszuruhen. Babitt, der neugierig durch die Lücke spähte, rief bestürzt:
»He, da is ja noch ne Mauer hinter!«
»Ach nee, die ham wirklich keinen Wert auf Besuch gelegt, was?«, ließ sich Knots vernehmen, der untätig am Boden saß.
»Mein Freund, dahinter liegen die Schätze der Stadt, da werden sie das Loch wohl gründlich gestopft haben, nicht wahr?« Jermyn sprach geduldig, wie zu einem Schwachsinnigen, aber dann fuhr er mit zusammengezogenen Brauen fort: »Aber auf diese Weise dauert es zu lange, bis wir in der Schatzkammer sind. Ich hab kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Wir sollten uns beeilen und außerdem macht es zu viel Lärm. Sieht aus, als ob die ganze Arbeit an dir hängen bleibt, Ninian.«
Er lächelte sie an und sie zuckte anmutig die Schultern.
»Es macht mir nichts. Geht beiseite!«
Babitt kam sich vor wie ein blutiger Anfänger, als er ihr Platz machte. Mule aber rührte sich nicht, er glotzte das zierliche Mädchen an und hielt ihr mit törichtem Grinsen die Spitzhacke hin. Ninian schüttelte lächelnd den Kopf und schlüpfte an ihm vorbei. Babitt zerrte den großen Mann von der Mauer weg und riss ihm das Werkzeug aus der Hand.
»Wir stehen da wie eine Bande von Trotteln«, dachte er erbittert, aber dann vergaß er seinen Ärger. Wie zuvor hatte Ninian die Hände auf die Mauer gelegt und stand reglos da. Zuerst geschah nichts. Dann hörte Babitt ein leises Reiben und Knistern. Ungläubig sah er, wie sich der Mörtel aus den Fugen löste und zu Boden rieselte. Die Tonziegel knirschten und ächzten, als sie, ihres Halts beraubt, unter der Last ihres eigenen Gewichts ins Rutschen kamen. Ninian trat beiseite, die Mauer schwankte und fiel polternd in sich zusammen.
Der Weg in die Schatzkammer war frei.
Ninian klopfte sich die Hände ab und wartete, bis sich der Staub gelegt hatte. Dann stieg sie über den Ziegelhaufen in das dunkle Gewölbe, das sich vor ihnen auftat. Jermyn folgte ihr.
»Sei vorsichtig, wer weiß, was sie für Fußangeln eingebaut haben.«
Knots und Mule stierten blöde hinter ihnen her, aber Babitt schüttelte seine Erstarrung ab und fuhr sie wütend an: »Na, los, hinterher. Vielleicht können wir uns ja auch nützlich machen - um für sie die Beute wegzuschleppen oder so, dann geben se uns vielleicht sogar was ab davon. Vorwärts, vorwärts, ihr Dumpfbacken! «
Duquesne stand mit Battiste und Donovan am Fuße der Treppe, die aus den höher gelegenen Vorratskellern in die tiefen Gewölbe hinunterführte.
Als Donovan in der Wachstube aufgetaucht war, hatten die beiden rivalisierenden Hauptmänner unwillkürlich einen Blick gewechselt. Battiste hatte sich geräuspert.
»Junger Herr, den Dieben steht eine zwanzigfache Übermacht gegenüber, die Überraschung ist auf unserer Seite und wir werden Euch gewiss nicht in der ersten Reihe postieren. Glaubt Ihr, dass es nötig ist ...?«
Er vollendete den Satz nicht. Donovan errötete und sah verlegen an sich herab. Über der rotgelben, geschlitzten Uniform der Palastwache trug er einen prächtigen Brustharnisch, ein glänzender Helm verbarg die blonden Haare.
»Der Patriarch hat darauf bestanden«, murmelte er und Battiste hatte taktvoll geschwiegen. Als sie jedoch aus der Wachstube durch die Gänge und die Treppen hinunter an den aufgestellten Gardisten vorbeigegangen waren, hatte Duquesne die Verachtung oder Belustigung der Männer wie einen beißenden Dunst gespürt. Ein Geck und eine jämmerliche Memme dazu - das war ihr künftiger Herr!
Jetzt, vor dem letzten Abstieg, meinte Donovan beunruhigt:
»Alle Männer sind hier, oben habe ich kaum eine Wache gesehen, selbst am Haupttor sind nur zwei Mann geblieben. Wäre es nicht
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