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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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Gedanken der Wachen, die zuerst mit dumpfer Glut auf sie gerichtet waren, sich dann aber verdunkelten und abkühlten, als ihr Interesse an den unscheinbaren Laienbrüdern abnahm.
    Eine Weile umfing ihn dunkel und kühl die Stille des großen Platzes und dankbar empfand er die Abwesenheit der wirren, irrlichternden Gedanken anderer Menschen. Nur Ninians abgeschirmten Geist nahm er wahr, als glatten, perlgrauen Schemen. So beruhigend und sanft wie ihre Hand in der seinen.
    Dann begann der geistige Raum zu dröhnen, dumpf wie vom Gesumm eines Fliegenschwarms. Sie hatten den Platz überquert und tauchten zwischen die mit Schläfern angefüllten Häuser ein. Trotzdem durchflutete ihn die Erleichterung, aus dem Bannkreis des Palastes entkommen zu sein. Er zog sich aus der nichtsinnlichen Welt zurück und schlug die Augen auf.
    Sie standen im Schatten eines überhängenden Gebäudes und die Häuser verbargen den Palast vor ihren Blicken. Ninian hielt immer noch seine Hand. Sie war nun kein blasser Perlenglanz mehr, sondern eine sehr wirkliche, graugekleidete Gestalt, die sich vorbeugte und ihn besorgt musterte. Er wusste, was sie sagen würde, bevor sie den Mund aufgemacht hatte.
    »Alles in Ordnung mit dir? Du siehst aus wie ein Gespenst, es war zuviel ...«
    Jermyn drängte sie grob gegen die rauen Steine der Hauswand.
    »Au, was soll ...«
    Er küsste sie hart, ohne Zärtlichkeit. Seine Zähne schlugen schmerzhaft gegen ihre und sie stieß sich den Kopf an der Mauer, als sie zurückfuhr.
    »He, bist du verrückt?«, keuchte sie, »was ist in dich gefahren?«
    »Ich will mich nur bedanken, dass du mir das Leben gerettet hast, Süße. Warst gerade mal wieder rechtzeitig zur Stelle. Scheint so, als würde das ’ne Lebensaufgabe für dich. Kannst mich ja kaum noch was allein machen lassen, stimmt’s?«
    Seine Hände umklammerten grob ihre Arme und selbst im tiefen Schatten konnte sie das böse Glitzern seiner Augen erkennen.
    Er hatte in dem leichten Ton gesprochen, in dem er vor kurzem Donovan verhöhnt hatte. Jenem Tonfall, mit dem er der ganzen Welt zeigte, dass er sie verachtete und keine Hilfe brauchte, nein, besten Dank auch!
    Aber Ninian wusste mittlerweile, was sie von diesem Ton und solchen Worten zu halten hatte.
    Sie stieß ihn heftig von sich.
    »Jetzt pass mal auf, Schlaukopf!«, fauchte sie. »Wenn du glaubst, ich sehe tatenlos zu, wie ich dich verliere, bloß weil deine kostbare Selbstachtung es nicht verträgt, dass ich dir helfe, hast du dich geirrt. Ich werde dich retten, ob du willst oder nicht, finde dich endlich damit ab. Und jetzt können wir vielleicht nach Hause gehen, für eine Nacht hab ich genug!«
    Hungrig starrte er sie an.
    »So wichtig bin ich dir?«
    Ninian verdrehte die Augen.
    »Was für eine dumme Frage! Stünde ich sonst hier? Obwohl ich mich manchmal wundere, warum ich mir die Mühe mache, besonders wenn du so einen hanebüchenen Stuss redest!«
    »Hanebüchener Stuss? Sagt man sowas bei euch?«
    Sein Lachen klang erschreckend laut in der nächtlichen Stille, als er sie an sich zog, um sie noch einmal zu küssen. Einen Moment lang presste sie eigensinnig die Lippen aufeinander, bevor sie mit einem kleinen Seufzen ihren Widerstand aufgab.
    »Verdammte Scheiße!«
    Sie spürte den Fluch auf ihrem Mund und die Kälte, die mit einem Mal von ihm ausging, ließ sie schaudern.
    »Was ist los?«, hauchte sie, aber da hörte sie schon das Dröhnen schwerer Stiefel, die in der winddurchtosten Leere des großen Platzes hinter ihnen wie drohende Trommelschläge klangen.
    »Die Wachen?«
    »Ja, zur Hölle mit Duquesne!«
    In den Schatten der Häuser geduckt, rannten sie tiefer in die Straße, die sich vor ihnen öffnete.
    Beide hatten kein Verlangen nach einem Kampf. Ihre Bewaffnung war dürftig - Dolch und Bleibeutel - sie hatten sich auf ihre Kräfte verlassen, doch der wohlbekannte, pochende Schmerz tobte so heftig in Jermyns Schädel, dass sein Magen rebellierte, und Ninian hatte keine Gelegenheit gefunden, sich von neuem mit dem kalten Feuer aufzuladen. Sich in diesem Zustand auf eine Auseinandersetzung mit den zahlenmäßig überlegenen, schwerbewaffneten und wütenden Wachen einzulassen, wäre schierer Selbstmord und so flohen sie.
    Während sie über das schlüpfrige Katzenkopfpflaster stolperten - auf dieser Seite des Volksplatzes gab es keine glatten Prachtstraßen - blieb ihnen nur die Hoffnung, den Verfolgern in den krummen Gassen des Gerberviertels zu entkommen. Wenn es ihnen gelang,

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