Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
Ichrehe um und schwimme langsam auf die einsame große Gestalt am Strand zu. Seine rote Hose und sein blaues Hemd bilden einen leuchtenden Farbklecks vor der Felskulisse. Während ich mich abtrockne und wieder in meine Klamotten springe, sehe ich, dass ein Boot die Bucht erreicht.
»Das Restaurant ist komplett leer, das ist vielleicht ein bisschen langweilig. Ich habe uns also lieber ein Wassertaxi gerufen«, erklärt Fidelio und weist mit der Hand auf das Motorboot, das neben dem Hubschrauberlandeplatz zum Halten kommt. »Die Dinger verbrauchen zwar auch jede Menge Sprit, aber ich denke, es ist schon zu spät, um den Weg jetzt noch zu Fuß zurückzulegen.« Ich möchte Fidelio am liebsten um den Hals fallen, so glücklich bin ich über seine Einsicht. Den Weg noch mal über drei Stunden zurücklaufen zu müssen, hätte ich jetzt auch nicht mehr geschafft. Wir besteigen das Boot und lassen die Bucht hinter uns. Während wir über das Meer gleiten, gießt Fidelio den Wein in zwei Plastikbecher und reicht mir einen von ihnen.
» Salute , meine Liebe. Prost!«
»Salute!«, antworte ich und genieße den Fahrtwind im Gesicht. Vor uns geht die Sonne unter, das Licht spiegelt sich auf der Wasseroberfläche, während wir mit unserem Boot in einem flotten Tempo an der Küste entlangfahren.
Nachdem wir im Hafen zu Abend gegessen haben, ziehen wir weiter in die berühmteste Bar von Portofino: Sie befindet sich im Hotel Splendido, einer noblen Sterneherberge, die aus terrakottafarbenem Stein gebaut in den Hügeln über dem Hafen liegt. Fidelio führt mich auf die Terrasse und bestellt mir, ohne mich zu fragen, einen Himbeer-Bellini. Er selbst trinkt keinen Alkohol. Etwas eingeschüchtert nehme ich auf einem der Stühle Platz und beobachte die Gesellschaft, die sich um uns herum amüsiert. Leise Pianomusik dringt aus den geöffneten Flügeltüren zu uns herüber und vermischt sich mit gedämpftem Lachen. Unauffälig nähert sich einer der weiß befrackten Kellner, um den gekühlten Drink und ein silbernes Tellerchen mit Pralinen vor mir abzustellen. Ich schaue hinunter auf die Bucht, in der die erleuchteten Schiffe vor Anker liegen, und stelle mir vor, wie dort an Deck zu Abend gegessen und zu uns heraufgeschaut wird. Fidelios Handy klingelt mal wieder. Es scheint geschäftlich zu sein, denn er steht auf und steckt sich sein Headset ins Ohr.
»Entschuldige, da muss ich drangehen, das ist wichtig, und es wird einen Moment dauern.«
»Kein Problem.« Ich nicke ihm zu, um ihm zu bedeuten, dass er sich um mich keine Sorgen machen muss. Lautstark telefonierend beginnt er sich zu entfernen. Während Fidelio langsam auf der Terrasse auf und ab wandelt, redet er wild auf seinen unsichtbaren Gesprächspartner ein. Einige der ausländischen Gäste, die mit dem italienischen Telefonverhalten nicht vertraut sind, fühlen sich offensichtlich von seiner Lautstärke gestört, denn sie schauen ihm mit unbewegten Gesichtern hinterher, bevor sie sich wieder ihren Weingläsern zuwenden. Es ist friedlich hier oben und unwirklich schön, fast wie in einem alten Hollywoodfilm. Ich nippe an meinem Glas und leere den Pralinenteller. Von Fidelio ist nichts mehr zu sehen, nur seine Stimme schallt aus einer entfernten Ecke zu mir herüber. Als er nach einer Viertelstunde immer noch nicht zurück ist, beginne ich mich ein wenig zu langweilen und beschließe, mir die Bar anzusehen. In den Sesseln, die geschickt im Raum verteilt sind, sitzen mehrere Paare und lauschen der Musik. Die Bar durchquerend biege ich links Richtung Rezeption ab. Auf einmal höre ich ein leises »Pssst, signorina!« . Vor mir steht ein älterer Mann in heller Hose, den unvermeidlichen italienischen Herrenslippern und einem Jackett, dessen einziger geschlossener Knopf sich über seinem Bauchansatz ein wenig spannt. Sein dichtes graues Haar ist gepflegt und fällt ihm bis auf die Schultern, die Augen unter seinen buschigen Brauen haben sich zu schmalen Schlitzen verzogen. Er lacht mich an.
Kann ich Ihnen helfen?«, fragt er, und sein Auftreten strahlt etwas Selbstverständliches und Selbstbewusstes aus, fast könnte man meinen, er sei der Besitzer des Splendido.
»Nein. Nein danke. Ich sitze eigentlich mit einem Freund auf der Terrasse, aber er telefoniert schon eine ganze Weile, da habe ich gedacht, ich sehe mich mal um. Das Hotel ist wirklich wunderschön.«
»Vielen Dank, ich bin Fausto Allegri, der portiere d’albergo hier im Haus.«
» Piacere , freut mich«, antworte
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