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Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern

Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern

Titel: Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Phillips
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Ich wohne ganz oben unter dem Dach«, erklärt er, während er nach meinem Gepäck greift und vor mir die hölzernen Stufen in seine Wohnung hinaufsteigt, in der es sogar eine Dachterrasse mit Blick über die Dächer der Stadt gibt.
    »Ich schlafe auf dem Sofa, du kannst mein Bett haben«, sagt Umberto zu mir, nachdem er mein Gepäck abgestellt und uns zwei Gläser Rotwein eingeschenkt hat. Während wir im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen, vor dem ein alter Reisekoffer steht, den er zum Beistelltisch umfunktioniert hat, erklärt Umberto mir, wie unerschwinglich geräumige Altbauwohnungen in Rom sind und welches Glück er hatte, hier in Trastevere eine Zweizimmerwohnung zu finden. Dann steht er auf, läuft in die Küche und kehrt mit einem Teller mit focaccie zu mir zurück – einem warmen, köstlichen ligurischen Fladenbrot mit Olivenöl und Kräutern. »Ich dachte, du hast vielleicht Hunger. Hier um die Ecke ist die beste focacceria der Stadt. Tut mir leid, dass ich dir nicht mehr anbieten kann, aber ich bin als Unternehmensberater viel unterwegs, und mein Kühlschrank ist meistens leer. Du hast Glück, dass ich heute mal eine Nacht in Rom bin.« Ich bedanke mich, und während ich mich bediene, zündet er eine Kerze an.
    Wenn ich zu diesem Zeitpunkt ein Fazit aus meiner bisherigen Reise ziehen müsste, dann wäre es sicher, dass die Italiener eindeutig die Gabe haben, mit wenigen Handgriffen eine gastfreundliche Atmosphäre zu schaffen und uns das Gefühl geben,illkommen zu sein. Dankbar und völlig erschöpft von meinem stundenlangen Fußmarsch, wanke ich einige Zeit später ins Bett. Im Halbschlaf denke ich noch darüber nach, dass die meisten deutschen Männer nicht so anstandslos ihr Bett geräumt hätten. Dann schlafe ich ein.
    Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist die Wohnung leer. Ein Schlüssel liegt auf dem Küchentisch. Auf dem Zettel daneben steht in krakeliger Männerschrift: »Bin beruflich die nächsten vier Tage im Veneto. Bleib und sei mein Gast, solange du magst. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. È stato un piacere, alla prossima, Umberto!«
    Wie großzügig! Ich beschließe, Umbertos Angebot zu nutzen und ein paar Tage in Rom zu bleiben. Jeden Morgen führt mich mein Weg nun über den Tiber, vorbei am Kolosseum in das historische Stadtzentrum. Auf meinen Spaziergängen fallen mir immer wieder Männer auf, die einem Werbeprospekt von Salvatore Ferragamo entsprungen sein könnten. Zumeist eilen sie, ohne mich eines Blickes zu würdigen, an mir vorbei. Weil mir bisher niemand ein Kompliment gemacht, mir hinterhergepfiffen oder mich zu einer passeggiata , einem Spaziergang, eingeladen hat, fange ich auf einmal an, mich unsichtbar zu fühlen.
    Am Nachmittag kehre ich in einem Café unweit des Campo di Fiori ein und lasse den Tag bei einer Portion pasta amatricana und einem Glas Wein Revue passieren: Drei winkende Polizisten und ein barista , der mir den morgendlichen cappuccino mit einem Herz aus Kakaozucker serviert hat. Eine magere Ausbeute. Zudem zählt der nette Barmann eigentlich nur halb, denn die liebevollen Kakaoherzen hat er ebenfalls auf den cappuccini meiner zwei männlichen Tischnachbarn hinterlassen.
    Offenbar sind die cuori dolci keineswegs ein Indiz der Zuneigung italienischer Männer für das weibliche Geschlecht, sondern nur ein dekoratives Element. Das zumindest habe ich an diesem Morgen gelernt.
    Nachdem ich meinen Chianti ganz entspannt ausgetrunkenabe, mache ich mich – die Worte von Valentino, dem Straßenmusiker, im Ohr, dass ich Erklärungen über den italienischen Mann in der römischen Vergangenheit finden würde – auf den Weg zur Via Appia. Bei dem Versuch, die historische Straße zu finden, irre ich durch die römische Peripherie, eine unwirtliche Gegend. Am liebsten würde ich umkehren, aber wenn ich herausfinden will, wie die italienischen Männer sind und ob unter ihnen vielleicht mein uomo perfetto wartet, darf ich kein Angsthase sein, sondern muss mich in die Geschichte stürzen, in ein Zeitalter, von dem der italienische Mann offenbar noch heute geprägt ist: ins alte Rom. Und wo könnte man das besser als in der Via Appia, einer Römerstraße, deren Bau noch vor Christi Geburt begonnen wurde. Sie führt über 540 Kilometer von Rom nach Brindisi, und an jenen Abschnitten, wo sie nicht erneuert wurde, ist, wie hier in Rom, die antike Pflasterung noch erhalten. An diesen Stellen nennt man die Straße Via Appia Antica, die modernen, erneuerten Teile tragen den Namen

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