Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
entschieden?«
»Ja, ich hätte gern auch einen Weißwein.« Roberto lächelt mich zufrieden an. »Siehst du! Latte macchiato oder cappuccino umiese Uhrzeit zu trinken, ist einfach unnatürlich.« Nachdem Roberto unsere Getränke bestellt hat, die wenig später auch serviert werden, prosten wir uns zu, dann lächelt er mich entspannt an. Er hat sich anscheinend entschieden, seinen Charme spielen zu lassen und mir zu beweisen, dass italienische Männer, wenn es nicht gerade um Kaffeebestellungen zur falschen Uhrzeit oder um Orientierungssinn geht, durchaus Prachtexemplare ihrer Gattung sind. Während er sich über den Tisch zu mir herüberbeugt, raunt er mir zu:
»Deine Augen sind so blau wie das Meer vor meinem Haus auf Sardinien.« Ich bin belustigt. Offensichtlich hat der italienische Mann wirklich keinerlei Scheu, dem Kitsch zu frönen. Da ich allerdings keine direkten Zuneigungsbekundungen gewohnt bin, weiß ich nicht so recht, was ich antworten soll. Mein Verflossener, Herr Taube, hatte eine ganz eigenwillige Art, Komplimente zu machen. »Du Bretzel. Du Luftpumpe. Du Ecker, du, du Paternosterkralle«, pflegte er zu sagen, wenn ich ihm ganz besonders gefiel. Mit Liebeserklärungen an meine blauen Augen kann ich daher nicht wirklich viel anfangen. Aber Roberto scheint eh kein Gegenkompliment zu erwarten, stattdessen schaut er auf seine sündhaft teure Armbanduhr und runzelt die Stirn.
»Wo bleibt denn bloß Fidelio! Er wollte uns vor zehn Minuten hier treffen, weil ich ihm gesagt habe, dass ich dann wieder weg muss. Das ist typisch.«
»Aber ich dachte, ihr Italiener seid eh nie so wirklich pünktlich?«
»Das stimmt. Aber Fidelio ist unter den nichtpünktlichen Italienern noch ganz besonders unpünktlich.«
»Du kannst ruhig gehen.« Ich will auf keinen Fall, dass er seinen Geschäftstermin meinetwegen verpasst. »Ich komme hier schon klar, wirklich!« Roberto sieht mich entgeistert an. Das ist ihm dann wohl doch etwas zu viel Emanzipation.
»Auf keinen Fall. Genua ist gefährlich!«, ruft er und zeigt vorns auf den fast leeren Platz. »Ganz sicher lasse ich dich hier nicht alleine, was da alles passieren kann! Fidelio würde mir das nie verzeihen.« Als Fidelio eine geschlagene Dreiviertelstunde später aufkreuzt, wirkt Roberto immer noch recht entspannt. Es scheint ihm nicht so viel auszumachen, dass ihm gerade ein lukratives Geschäft entgangen ist. Grinsend klopft er seinem dünnen Cousin kräftig auf den Rücken und brummt:
»Mein Alter, vecchio mio , dir ist schon klar, dass ich jetzt deinetwegen ein Millionengeschäft verpasst habe.«
In diesem Moment fällt mein Blick auf den Ehering an Robertos Hand. Er ist tatsächlich verheiratet. Das hätte ich mir ja denken können, weshalb sonst sollte er wohl Stammgast sein in der Kirche, die all unsere Sünden vergibt.
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Do Italians better?
Oder ... warum der Italiener ein zweifelhaftes Verhältnis zur Kirche hat
Eine Kolumne von Dana Phillips
Liebe Komplizinnen, ich denke, es ist kein Zufall, dass der Italiener Katholik und nicht Protestant ist. Nicht nur weil sich in Rom der Vatikan befindet und die Kirchen zwischen Como und Capri die wohl schönsten Kunstwerke mit christlichen Motiven beherbergen, die je im Auftrag der katholischen Kirche geschaffen wurden, sondern vor allem deshalb, weil die chiesa catholica so geübt im Vergeben von Sünden ist. Den Glauben an Gott zelebriert man hier zudem mit Prunk und Pracht – und das entspricht eindeutig dem italienischen Faible für Ästhetik und große Auftritte. Zwar ist der Italiener gläubiger als die meisten seiner europäischen Nachbarn, aber wer genauer hinschaut, der wird schnell feststellen, dass Italien von Religiosität geprägt ist, aber nur noch ein geringer Bevölkerungsteil dem Idealtyp des Katholiken entspricht. Denn auf Sinnesfreuden jeglicher Art kann ein echter Italiener nur schlecht verzichten. Religion soll daher hilfreich sein und Hoffnung spenden – aber nicht zu sehr einschränken. Trotz oder gerade wegen ihrer Doppelmoral ist die Kirche in Italien immer noch einflussreich. Laut Statistik glaubt mehr als ein Dreiviertel der italienischen Landsleute an den lieben Gott, viele davon mit Inbrunst. Denn wenn es Gott nicht gäbe, wer sollte ihnen dann die Fehltritte vergeben, die sie sich selbst nicht verzeihen können? Weil Gott Liebe, Hoffnung, Freude verspricht, haben die Italiener im Gegensatz zu uns Deutschenuch noch Ehrfurcht vor ihm. Um sich sein Wohlwollen zu erhalten,
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