Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
die super schmalen Straßen auf Capri und an Fosco und kann einfach nicht verstehen, warum er sich immer noch nicht gemeldet hat. Dabei gefällt er mir so gut, dass ich seinetwegen sogar die Suche nach Mario auf Eis gelegt habe. Ich wünschte, ich könnte mich an Foscos Schulter anlehnen, seine Hand nehmen und gemeinsam mit ihm zusammen in die Bucht von Amalfi schauen. Ich nehme erneut mein Telefon aus der Tasche und kontrolliere meinen SMS-Eingang. Keine neue Nachricht. Ob er meine SMS vielleicht gar nicht bekommen hat? Doch, da ist sie, unter Gesendete Objekte. You made my day. Ich kann es mir nicht erklären, warum er mir auf so eine Nachricht nicht antwortet. Vielleicht ist sein Akku leer. Abgelenkt von meinen Gedanken, verpasse ich fast den Ausstieg in Ravello, schaffe es aber gerade noch rechtzeitig, aus der Tür zu springen. Im Hotelzimmer angekommen, werfe ich einen letzten Blick auf mein Telefon und falle dann in einen tiefen Schlaf.
Am nächsten Morgen fällt mein erster Blick auf das Display. Immer noch keine Nachricht von Fosco. Das kann doch gar nicht wahr sein. Selbst mit einem Zwischenstopp in Tibet müsste er mittlerweile längst in den USA angekommen sein. Ich dusche, mache mich fertig und nehme mein Frühstück auf der Terrasse des Hotels ein – mein Handy halte ich dabei immer fest in der Hand, aber es will einfach nicht piepen. Ich teste, ob mein Telefon noch Nachrichten verschickt, indem ich mir selbst eine SMS sende. In der Hoffnung, keine Antwort zu bekommen und damit in der Annahme bestätigt zu werden, dass mein Telefon nichtichtig funktioniert, warte ich auf eine Reaktion. Wenige Sekunden später summt mein cellulare . Na toll! Der Italiener stellt sich tot und mein Handy lebt. Da es in mir brodelt wie in einem Vulkan, beschließe ich, meinem inneren Gemütszustand zu folgen und einen Ausflug zum Vesuv zu unternehmen.
Am Fuße des Vulkans angekommen, stelle ich fest, dass meine Tankanzeige alarmierend leuchtet. Noch 42 Kilometer Fahrt, dann ist der Sprit alle. Das reicht noch, um auf die Bergspitze zu kommen. Tanken kann ich auf dem Rückweg immer noch. Ich gebe Gas und folge der Serpentinenstraße, die mich bis zur Vulkanspitze führen soll. Nach kurzer Zeit fällt mein Blick wieder auf die Tankanzeige. Noch 21 Kilometer. Ich bin irritiert. Wie kann das denn sein? Ich kann doch unmöglich in den vergangenen Minuten 21 Kilometer zurückgelegt haben? Ich fahre weiter und verfolge ängstlich die Anzeige, die in rasanten Sprüngen nach unten rauscht. Von 21 auf 19, dann wieder auf 20, plötzlich habe ich nur noch Benzin für 17 Kilometer, dann für 16. Ich dumme Nuss habe natürlich nicht bedacht, dass das Auto bergauf mehr Benzin verbraucht als auf gerader Strecke. Als die Anzeige auf 14 Kilometer fällt, entscheide ich, dass ich nicht mehr viel weiter fahren kann. Schieben möchte ich mein Auto jedenfalls nicht. Als ich an einer Straßenkreuzung ein Schild mit der Aufschrift Punto Panoramico A Metri 900 , Aussichtsplattform in 900 Metern, entdecke, biege ich ab. Ein weiteres Schild kündigt mir verheißungsvoll eine Sessellift-Station an. Das ist meine Rettung. Ich stelle mein Auto einfach auf den Parkplatz und nehme für den restlichen Weg die funicolare .
Am Parkplatz angekommen, blicke ich mich verwundert um. Von einem Sessellift ist nichts zu sehen. Ich verlasse meinen Wagen und laufe zu einem Kiosk, der sich auf der Mitte des Platzes befindet.
»Entschuldigung!«, rufe ich der Frau hinter dem Kassentisch zu. »Wo ist denn die Seilbahn?«
Ach«, antwortet sie und winkt ab. »Die gibt es schon lange nicht mehr.«
»Nein?«, frage ich enttäuscht. Mein Plan, mit dem Lift auf die Vesuvspitze zu fahren, löst sich in Luft auf.
»Die Seilbahn ist beim letzten Vulkanausbruch kaputtgegangen«, erklärt mir die Verkäuferin.
»Vulkanausbruch?« Ich werde etwas nervös. Ist es hier oben womöglich gar nicht so ungefährlich? Wie oft bricht so ein Vulkan denn aus?
»Wann war das denn?« Ich blicke sie fragend an.
»1954«, entgegnet sie trocken. Ich muss lachen. Ganz offensichtlich hat die signora eine findige Geschäftsidee entwickelt. Warum nicht ein über fünfzig Jahre altes Schild stehenlassen und damit mögliche Kunden auf diesen Parkplatz locken? Ansonsten würde sich zu ihrem Kiosk vermutlich kein Mensch verirren.
»Wie weit ist es denn noch bis auf die Spitze?«, frage ich sie, in der Hoffnung, mein Fortbewegungsproblem doch noch zu lösen.
»Etwa vier Kilometer von hier aus
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