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Ave Maria - Roman

Ave Maria - Roman

Titel: Ave Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sie eine ganz andere Person als die während der Arbeit.
    Sie brauchte etwas länger als sieben Minuten, aber die Warterei hatte sich gelohnt. Die Verwandlung war verblüffend. Ich hatte sie immer für attraktiv gehalten, aber bei der Arbeit wirkte sie hart, durch und durch Polizistin. Jetzt trug sie ein weißes seidenes T-Shirt, Jeans und Sandalen. Ihr Haar war noch nass von der Dusche. Detective Jeanne Galletta wirkte weicher, sie zeigte eine ganz neue Seite von sich.
    »Ich weiß, ich weiß, ich sehe beschissen aus«, sagte sie, doch wir wussten beide, dass das nicht stimmte.
    Dann schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ich habe völlig vergessen, Ihnen einen Drink anzubieten. O mein Gott, was ist bloß mit mir los?«

    »Wir hatten nur fünf Minuten«, sagte ich.
    »Stimmt. Guter Punkt. Wie immer - für gewöhnlich - sagen Sie das Richtige. Okay, gehen wir. Die Nacht wartet auf uns.«
    Ich spürte immer noch Jeannes Körper an meinem und auch ihre Lippen. Und überhaupt war ich wieder ein Single, oder? War ich das wirklich? Ehrlich gesagt, ich war leicht verwirrt. Als Jeanne mich zur Tür scheuchte, blieb sie nochmal stehen und küsste mich wieder. Doch diesmal war ich vorbereitet und nahm sie in die Arme. Wir küssten uns, länger und befriedigender als beim ersten Mal. Sie duftete herrlich, fühlte sich noch angenehmer an. Ihre braunen Augen waren aus der Nähe einfach wunderschön.
    Jeanne nahm meine Hand und zog mich zurück in Richtung Schlafzimmer.
    Ich leistete Widerstand. »Aber du hast dich doch gerade umgezogen, um auszugehen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe mich für dich umgezogen.«
    Aber dann riss ich mich zusammen und sagte: »Komm, Jeanne, gehen wir essen.«
    Sie lächelte und sagte: »Okay, gehen wir essen, Alex.«

67
    Um vier Uhr morgens verließ die einundzwanzigjährige Schauspielerin Alicia Pitts Las Vegas und fuhr nach Los Angeles. Das Casting begann um neun Uhr, und sie wollte nicht das blonde Huhn Nummer dreihundertfünf in der Schlange sein - dann wäre die Rolle schon weg, ehe sie überhaupt vorsprechen konnte.
    Der Geländewagen ihrer Eltern, den die äußerst kreative Pitts »Big Blue« nannte, war ein Benzinschlucker ohne schlechtes Gewissen. Ansonsten war die Fahrt gratis. Sie konnte sich nicht über den Preis beschweren. Sobald Alicia richtige Arbeit gefunden hatte, könnte sie es sich womöglich leisten, in L.A. zu wohnen. Inzwischen war es ein endloses Hin und Her für Vorsprechen und Vorstellungen.
    Alicia ging nochmal den Text durch, als sie Richtung Westen fuhr. Sie bemühte sich, nicht zu oft auf das mit Eselsohren versehene Manuskript auf dem Beifahrersitz zu blicken. Das vertraute Ritual behielt sie fast bis Los Angeles bei.
    »Sprich nicht von Stolz zu mir. Das habe ich alles schon von dir gehört. Du kannst -«
    Moment, das war falsch. Sie warf einen Blick auf den Text, dann konzentrierte sie sich wieder auf die Straße und den Verkehr.
    »Sprich nicht von Stolz zu mir. Das habe ich alles schon vor dir gehört. Es gibt nichts mehr, das du mir vormachen kannst. Du kannst -« Scheiße! Was machst du denn, Alicia? Du bist blöd!
    Irgendwie war sie auf eine Ausfahrt geraten. Diese Straße
führte zu einer Ampel auf einer ihr nicht bekannten Kreuzung.
    Sie war in L.A., aber mit Sicherheit nicht am Wilshire Boulevard.
    So wie es hier aussah, war sie hier noch nie gewesen. Hauptsächlich verlassene Gebäude, ein ausgebranntes Auto stand am Straßenrand. Es war ein Taxi gewesen.
    Dann sah sie die drei Männer, junge Burschen. Die drei standen an der Ecke und starrten zu ihr herüber.
    Bleib ruhig. Bleib ruhig, dachte sie. Nicht durchdrehen, Alicia. Dreh einfach um und fahr zurück zum Highway. Alles ist cool. Null Problem.
    Sie beschwor die Ampel, von Rot auf Grün zu schalten, und reckte den Kopf, um nach der Rampe Ausschau zu halten, die sie zurück auf den Highway bringen würde.
    Jetzt schlenderte einer der jungen Burschen auf die Kreuzung. Er hielt den Kopf schief, um besser durch ihre Windschutzscheiben schauen zu können. Er trug weite Cargohosen und ein himmelblaues Sweatshirt. Sie hielt ihn für sechzehn, höchsten siebzehn.
    Dann kamen auch die beiden anderen langsam näher. Als Alicia sich überlegte, trotz Rot loszufahren, standen die Burschen vor ihrer Kühlerhaube und versperrten ihr den Weg. Großartig. Und was jetzt?

68
    Sie schloss für eine halbe Sekunde die Augen. Wie sollte man sich in einer derartigen Situation korrekt

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