Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ave Maria - Roman

Ave Maria - Roman

Titel: Ave Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
die Familie sein. Brendan und Ashley hatten sich so darauf gefreut - seit ewigen Zeiten. Selbst Klein Adam hüpfte aufgeregt in seinem Wagen und quiekte vor wortloser Begeisterung.
    Mary ließ ihre älteren Kinder nicht aus den Augen, als sie mit ihnen auf der Main Street USA dahinging, wo es Läden mit rosaweißen Zuckerstangenstreifen und andere Sehenswürdigkeiten gab. Jedes Kind hielt eine Seite des Parkplans. Das war köstlich, da keiner der beiden eine Ahnung hatte, wonach sie suchen sollten. Seit Adam geboren war, liebten sie es, die Älteren zu spielen.
    »Was wollt ihr machen, ihr Mäuschen?«, fragte Mary. »Wir sind endlich in Disneyland, wie ich euch versprochen habe.«
    »Alles!«, erklärte Ashley atemlos. Sie schaute Goofy zu, dem echten Goofy, der auf der Main Street vorbeihüpfte.
    Brendan zeigte auf einen kleinen Jungen, etwa so alt wie er, der Mickey-Maus-Ohren auf dem Kopf hatte, auf denen der Name Matthew eingestickt war.

    »Können wir solche Ohren kriegen?«, fragte er hoffnungsvoll. »Bitte, können wir, bitte, bitte!«
    »Nein, tut mir Leid, Schätzchen. Mammi hat nicht genug Geld dafür. Nicht diesmal. Aber beim nächsten Mal ganz bestimmt.«
    Plötzlich fragte sie sich, weshalb sie vergessen hatte, Sandwiches einzupacken. Der Besuch in Disneyland kostete viel mehr, als sie sich leisten konnte. Wenn daheim zwischen jetzt und ihrem nächsten Gehaltsscheck etwas schief lief, würde sie tief in der Scheiße sitzen.
    Aber jetzt wollte sie sich darüber keine Sorgen machen. Stopp. Stopp. Nicht heute. Ruiniere nicht alles, dumme Marsey.
    »Ich weiß, was wir machen«, sagte sie liebevoll und nahm den Kindern die Karte aus der Hand.
    Gleich darauf machten sie die Bootsfahrt durch »It’s a Small World«. Das hatte Mary nicht getan, seit sie so alt wie Brendan gewesen war.
    Aber die Fahrt war dieselbe, und das war tröstlich. An die Kühle und die Dunkelheit erinnerte sie sich, und sie liebte immer noch all die lächelnden Gesichter der Figuren, die sich nie verändern würden. Diese Fahrt war ausgesprochen beruhigend, eigentlich war ganz Disneyland beruhigend. Sie genoss es, mit den Kindern hier zu sein - und sie hatte ihr Versprechen gehalten.
    »Seht euch das an!«, schrie Brendan und deutete auf eine fröhlich dreinschauende Eskimofamilie, die vor ihrem Iglu aus Schnee winkte.
    Brendan und Ashley erinnerten sich wahrscheinlich nicht an Schnee. Das wurde Mary in diesem Moment bewusst. Adam hatte noch nie Schnee gesehen. Das Grau und die endlose Kälte in ihrer Heimat waren jetzt wie aus einer anderen
Welt, wie der schwarzweiße Teil von The Wizard of Oz . Allerdings kehrte Dorothy nach Hause zurück, Mary würde das nie tun. Nie wieder. Nie wieder schneebedeckte Berge. Das alles lag eine Million Meilen entfernt, wo es auch hingehörte. Von nun an würde es nur kalifornischen Sonnenschein geben - und lächelnde Eskimos und Goofy.
    »Entschuldigung, Ma’am, bitte steigen Sie aus«, sagte ein Mann und riss sie aus ihrem Tagtraum.
    »Mammi!«
    Mary zuckte frustriert zusammen. Sie hatte die Hälfte der Fahrt verpasst, weil sie über andere Dinge nachgedacht hatte. Woran erinnerte sie sich als Letztes? Die Eskimofamilie. Schnee. Oh, ja, Schnee.
    »Ma’am? Bitte. Andere warten.«
    Mary schaute zu dem uniformierten Mitarbeiter auf, der sie mit größter Höflichkeit anblickte.
    »Können wir noch eine Runde mitfahren?«, fragte sie.
    Er lächelte höflich. »Tut mir Leid, aber wir dürfen das nicht zulassen. Sie müssen sich wieder anstellen.«
    »Los, gehen wir!«, rief Brendan. »Komm, Mammi. Keine Szene. Bitte!«
    »Schon gut. Schon gut«, sagte Mary. Ihre Stimme klang verkrampft, und das Ganze war ihr peinlich.
    Sie zwinkerte dem Mann zu. »Kinder«, sagte sie konspiratorisch. Dann lief sie über die Plattform, um ihre Lieben einzuholen.

84
    Sehr schnell war es Zeit für den Lunch. Mary war schrecklich enttäuscht, als sie nur zwölf Dollar und ein bisschen Kleingeld in ihrem Portemonnaie fand. Eine kleine Pizza und ein Getränk für alle musste genügen.
    »Da ist grünes Zeug drauf«, beschwerte sich Ashley, als Mary die Pizza auf den Tisch stellte.
    »Das schmeckt man gar nicht«, sagte Mary. Sie wischte die wenigen Oreganoblättchen mit der Serviette weg. »So. Jetzt ist das Grünzeug weg. Ganz weg.«
    »Unter dem Käse ist noch welches. Ich will das nicht, Mammi. Ich habe Hunger. Richtigen Hunger.«
    »Schätzchen, das ist unser Lunch. Mehr gibt es nicht, bis wir wieder zu Hause

Weitere Kostenlose Bücher