Ave Maria - Roman
acht.
Die Situation entwickelte sich mit jeder Minute eindeutig interessanter, um nicht zu sagen bizarr.
Das Luxushotel in Hollywood, ein Stuckmonument in Rosa, war hinter einer Wand von Palmen und Bananenstauden am Sunset Boulevard vor fremden Blicken geschützt. Das Interieur entsprach dem Äußeren. In der Hotelhalle war alles in Rosa gehalten, und auf der Tapete waren überall Bananenblätter.
Ich fand den Chef des Sicherheitsdienstes, Andre Perkins, in seinem Büro im Keller. Ich hatte absichtlich dafür gesorgt, dass wir nur einen einzigen Kontakt im Hotel hatten.
Perkin hatte früher selbst als Agent für das FBI gearbeitet. Er hatte zwei Kopien von Mary Wagners Personalakte auf dem Schreibtisch, als ich zu ihm kam.
»Eigentlich liest sich alles wie bei einer Bilderbuchangestellten«, erklärte er mir. »Sie kommt immer pünktlich, arbeitet
zügig. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, kommt sie, macht ihre Arbeit und geht wieder. Aber ich kann mich noch weiter erkundigen. Soll ich?«
»Noch ist das nicht nötig, danke. Wie steht es mit ihrem Hintergrund? Haben Sie da etwas für mich?«
Er zog das Originalbewerbungsschreiben der Wagner heraus und mehrere Seiten Notizen.
»Sie ist jetzt beinahe acht Monate bei uns. Es sieht so aus, als sei sie ordnungsgemäß von einem Mariott im Zentrum entlassen worden. Aber ich habe wegen ihres Vorlebens ein bisschen herumtelefoniert, und alle Nummern sind falsch oder nicht mehr in Betrieb. Ihre Sozialversicherungsnummer ist auch falsch. Aber das ist bei Zimmermädchen oder Portiers oft so.«
»Gibt es jemand, der bestätigen kann, dass sie tatsächlich während ihrer Schichten im Hotel anwesend ist?«, fragte ich.
Perkins schüttelte den Kopf. »Nur die Dienstpläne.«
Wieder las er in den Papieren.
»Sie hält ihre Quoten immer ein, das könnte sie nicht, wenn sie oft blaumachen würde. Ihre Beurteilungen sind außergewöhnlich gut. Sie macht wirklich erstklassige Arbeit. Mary Wagner ist bei uns eine überdurchschnittlich gute Mitarbeiterin.«
89
Perkins ließ mich sein Faxgerät benutzen, um Kopien von Mary Wagners Dienstplänen ins Büro zu schicken, damit man sie dort überprüfte. Dann stattete er mich mit einer Hausmeisteruniform und einem Namensschild aus, auf dem »Bill« stand.
Bill bezog im Keller Position, von wo aus er den Vorratsraum im Auge hatte, aus dem das Hauspersonal seine Papiervorräte und Reinigungsmaterialien holte und die Wagen belud. Kurz nach halb acht Uhr trudelte die neue Schicht ein.
Alle waren Frauen, alle trugen die rosa Uniform. Mary war die größte in ihrer Gruppe. Grobknochig würden manche Menschen sie nennen. Sie war weiß, eine der wenigen bei der Reinigungstruppe.
Sie sah eindeutig kräftig genug für die körperlichen Anstrengungen aus, die Mary Smith getan hatte - Marti Lowenstein-Bells Leiche im Swimmingpool herumzudrehen oder Brian Convers vom Fußboden des Hotels aufs Bett zu legen.
Bill stand keine zwanzig Meter von ihr entfernt und machte sich an einem Sicherungskasten zu schaffen, dabei verbarg er teilweise sein Gesicht hinter der offenen Klappe.
Wagner machte sich sofort und effizient an ihre Arbeit, während die Kolleginnen ringsum sich angeregt unterhielten, hauptsächlich auf Spanisch. Sie hielt sich abseits, genauso wie Perkins sie beschrieben hatte. Ihr Wagen war der erste, der in den Lastenaufzug geschoben wurde.
Ich folgte ihr nicht nach oben. Die Hotelkorridore boten
keine Deckung, und mir war wichtiger, sie später in ihrem Haus zu befragen. Das bedeutete eingeschränkte Observierung für Bill im Hotel.
Meine beste Gelegenheit bot sich während der Mittagspause, als die Cafeteria für das Personal rappelvoll war. Mary saß allein an einem Tisch bei der Tür und aß ein Thunfischsandwich. Dabei schrieb sie in ein in Leinen gebundenes Buch, wahrscheinlich eine Art Tagebuch. Dieses Tagebuch wollte ich unbedingt lesen. Ihre Gespräche mit den Kollegen ringsum schienen kaum mehr als höfliche Hallos zu sein. Die perfekte Angestellte.
Zu diesem Zeitpunkt beschloss ich, zurück in Perkins Büro im Keller zu gehen. Ich berichtete ihm aus Höflichkeit von meinen Beobachtungen. Während wir uns noch unterhielten, meldete sich mein Pieper.
»Entschuldigung«, sagte ich. Es war Karl Page im Krisenzentrum.
»Ich dachte, Sie sollten das sofort wissen. Ja, eine Sekunde, dann komme ich - ihr Dienstplan passt perfekt. Mary Wagner hat mindestens zwei Stunden vor und zwei Stunden nach jedem Mord nicht
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