Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst
Durchgänge, durch die weitere Räume zu sehen waren, in deren Wänden Öffnungen in andere Räume führten. Seev erinnerte sich, wie er am Donnerstag nach Hause gekommen und die Treppe hinaufgestiegen war, als alles begonnen hatte. Mit offen stehenden Türen. Jetzt schien es ihm, als landete er immer wieder in ein und demselben Raum.
Im Grunde hätte Seev völlig in seiner Suchaufgabe aufgehen sollen, aber von all den Männern auf der Baustelle war er der einzige, der wusste, dass sie in den leeren Räumen nichts finden würden. Mehrere Paare alter Arbeitsschuhe standen in einem sehr großen Raum unter einem breiten und hohen Fenster aufgereiht. An einem Eisendraht, der wie ein Kleiderhaken aus den Ziegeln herausragte, hing eine Plastiktüte mit leeren Konservendosen. Ein halber Laib trockenes Brot und eine noch fast volle Flasche Cola lagen auf dem sandigen Fußboden.
Seev hörte auf zu suchen und trat an ein nach Norden gehendes Fenster. Er schaute auf die Stadt hinunter, auf den spärlich tröpfelnden Verkehr. Er stellte sich die Rückansicht des Hauses vor, in dem er wohnte, und nicht weit davon die Polizeistation. Danach fand er ein nach Süden gehendes Fenster, von dem man einen Blick auf die Dünen hatte. Nun sah er auch ein paar Polizisten. Vom sechsten Stock aus wirkten die blauen Gestalten winzig. Einige von ihnen führten Miniaturhunde an der Leine.
Eine Frau in eleganter schwarzer Hose, heller Seidenbluse und Lackschuhen, die mit Sicherheit nicht für eine Suchaktion in den Dünen geeignet waren, stand mit dem Rücken zur Straße und sprach mit Avraham. Seev hatte die Baustelle verlassen, war in Richtung der Dünen gegangen und verharrte nun in einiger Entfernung. Die Frau war um die vierzig und einen Kopf größer als Avraham. Vielleicht war sie seine Vorgesetzte, die auf dem Weg zu einem Mittagessen mit der ganzen Familie einen kurzen Abstecher hierher gemacht hatte, um sich vom Fortgang der Suchaktion zu überzeugen. Wäre sie eine von den Freiwilligen oder eine Verwandte gewesen, die sich den Suchtrupps anschließen wollte, hätte sie sicher bequemere Sachen und andere Schuhe getragen.
Seev war sich fast sicher, dass er letzten Endes bei dem Anruf auf dem Revier Avi Avrahams Namen nicht erwähnt hatte. Anfangs hatte er geplant, mit ihm sprechen zu dürfen, hatte sich dann aber umentschieden. Obgleich ein Gespräch mit Avraham im Grunde genommen sein Ziel gewesen war.
In der Flut der Gedanken, die ihn im Verlauf des gestrigen Abends bestürmten, gab es einen Augenblick, in dem er dachte, dass der vollständige Name des Ermittlers bestimmt Avraham Avraham lauten musste. Und dieser Gedanke machte ihm mit einem Mal die ganze Welt des Polizeibeamten zugänglich, als hätte er einen Blick in dessen Schlafzimmer geworfen.
Obwohl er sich gut vorbereitet und die paar Worte, die er bei dem Anruf sagen wollte, sich mehrfach vorgesagt hatte, geriet Seev durcheinander, als er die junge Frauenstimme hörte, die ihm antwortete. Beinahe hätte er aufgelegt. Doch er besann sich und sagte dann etwas vollkommen anderes, als er beabsichtigt hatte. Und legte auf. Erschrocken und sehr erregt über seine eigenen Worte.
Die Unterhaltung zwischen Inspektor Avraham und der Frau in der Seidenbluse zog sich in die Länge. Nirgendwo waren Absperrbänder oder Markierungen zu sehen, die angezeigt hätten, dass das Gebiet gesperrt wäre.
Zuvor, als Seev das Viertel auf dem Weg zu den Dünen durchquert hatte, hatte er entdeckt, dass die neuen Straßen am südlichen Rand des Vorortes allesamt nach verstorbenen israelischen Komponisten benannt waren, offenbar, um der Gegend einen lokalpatriotischen Charakter zu verleihen. Er war durch die Ehud-Manor-Straße gegangen und hatte zur Rechten die Usi-Chitman-Gasse gesehen, eine kleine Sackgasse. Aus dem Fenster eines der Häuser an der Straße hatte ihn eine ältere Frau beobachtet, als er die Fahrbahn überquerte und in die Dünen stapfte. Sicher hatte sie irrtümlich angenommen, er wäre ein Polizist in Zivil.
Erneut war er fassungslos angesichts des vorherrschenden Durcheinanders, und er schärfte sich ein, dies als ein bedeutsames Detail zu betrachten. Unbehelligt hatte er sich Zugang verschafft zu einem Gebiet, auf dem eine polizeiliche Suchaktion durchgeführt wurde. Niemand hatte ihn bemerkt. Abgesehen von Avraham waren nicht mehr als fünf oder sechs Polizeibeamte in Uniform dort. Zwischen ihnen liefen etliche Personen in Zivilkleidung herum, entweder Polizisten oder
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