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Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst

Titel: Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Mishani
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er telefoniert hatte, nicht gehört, was er gesagt hatte? Oder log Avraham vorsätzlich? Denn das hatte er bei seinem Anruf eigentlich sagen wollen: dass Ofer am Leben sei. Dass er wisse, dass Ofer am Leben sei, und auch, wo man ihn suchen müsse. Aber am Ende war ihm, ohne dass er es gewollt hätte, herausgerutscht, die Polizei solle nach einer Leiche suchen. Und dann hatte er aufgelegt. Sollte er zu schnell gesprochen haben, sodass die Polizistin ihn nicht verstanden hatte?

    Alles, was am gestrigen Abend passiert war, war anders verlaufen, als er es geplant hatte.
    Anfangs hatte Seev vorgehabt, die Telefonzelle in der Sprinzak, zwischen der Cinematheque und der Schule, an der er unterrichtete, zu benutzen, war dann aber zu dem Schluss gekommen, dies wäre keine kluge Entscheidung. Dennoch war er nach Tel Aviv gefahren und hatte bei vier Kiosken angehalten, aber erst beim fünften hatten sie Karten für öffentliche Telefonzellen und nicht nur Prepaidkarten für Mobiltelefone gehabt.
    Er nahm an, er würde im Süden der Stadt einen öffentlichen Fernsprechapparat finden, in der Gegend um den alten Busbahnhof, die bevorzugt von afrikanischen Flüchtlingen und Gastarbeitern bewohnt wurde, aber die Dunkelheit in den leeren Straßen ängstigte ihn, sodass er weiter Richtung Norden fuhr. In der Allenby stellte er den Roller ab, nahm den Helm ab und legte ihn auf den Sitz. Der Apparat war defekt. Er kehrte zurück ins Stadtzentrum und fand ausgerechnet am Gat-Kino einen Apparat, der funktionierte. Die Kreuzung war viel zu belebt, er hatte eigentlich eine Telefonzelle in einer der ruhigeren Seitenstraßen finden wollen, aber nun hieß es: jetzt oder nie. In dem Moment, als er nach dem Hörer greifen wollte, hörte er eine Frau seinen Namen rufen. Er schrak zusammen.
    Orna Abiri, eine junge Mathematiklehrerin aus seiner Schule, kam auf ihn zu und gab ihm ein Küsschen auf beide Wangen, was sie nie tat, wenn sie sich im Lehrerzimmer trafen. Sie stellte Seev ihren beiden Freundinnen vor und fragte, was er hier mache. Er war verlegen, wusste nicht, was er sagen sollte, und stieß dann hervor, er käme gerade aus einem Film. Glücklicherweise fragte sie nicht, wie der Film gewesen sei. Obgleich sie kein besonders enges Verhältnis als Kollegen hatten, schlug sie ihm vor, mit ihnen in eine Bar zu gehen, aber Seev erklärte, er wolle noch Freunde besuchen, und entschuldigte sich.
    Bevor sie sich verabschiedeten, fragte sie: »Möchtest du telefonieren?«
    »Was?«, fragte er, weil er dachte, sie wollte ihm aus irgendeinem Grund ihre Telefonnummer geben.
    »Mir schien, als wolltest du von dem Apparat aus telefonieren. Wenn du jemanden anrufen musst, ich hab mein Handy dabei.«
    Er lachte. »Nein, danke, ist schon erledigt. Ich hatte die Adresse vergessen und hab mein Handy zu Hause liegenlassen.«
    Erst kurz vor zweiundzwanzig Uhr schaffte er es endlich anzurufen, von einer Telefonzelle in Rishon Letzion aus.

    Seev konnte seine Fassungslosigkeit nicht ganz verbergen, als er zu Avraham sagte: »Man hat Ofer hier gesehen? Das heißt, Sie haben Informationen, dass er am Leben ist?«
    »Warum sollte er nicht am Leben sein?«, fragte Avraham, und Seev geriet durcheinander.
    »Nein, ich meinte, wissen Sie, wo er sich befindet?«
    »Wir wissen überhaupt nichts mit Bestimmtheit. Wir bemühen uns lediglich, die Informationen zu überprüfen, die bei uns eingegangen sind.«
    »Und warum schenken Sie diesen Informationen Glauben?«, insistierte Seev. »Sie werden doch sicher nicht nach jedem Anruf, den Sie bekommen, eine großangelegte Suchaktion veranlassen.«
    Avraham musterte ihn mit einem erstaunten Blick. »Wir bemühen uns, allen Hinweisen nachzugehen«, erwiderte er.
    Eine junge Polizistin trat zu ihnen. Sie hielt einen Fetzen Stoff, der einmal eine braune Cordhose gewesen war, in der Hand.
    Avraham sagte brüsk: »Gut, entschuldigen Sie mich, ich muss hier weitermachen. Danke, dass Sie bei der Suche mitgeholfen haben, ich verspreche Ihnen, dass man Sie wegen einer weiteren Zeugenbefragung noch diese Woche kontaktieren wird. Wie war noch gleich Ihr Name?«
    Seev fand gerade noch Zeit zu antworten: »Seev Avni. Schön, dass Sie fragen, die Beamtin, die mich am Donnerstag vernommen hat, hat nicht danach gefragt. Ich würde mich gerne mit Ihnen über Ofer unterhalten. Ich weiß nicht, was Sie bis jetzt über ihn haben in Erfahrung bringen können, aber ich habe einiges zu sagen. Wir sind zwar erst vor etwas mehr als einem Jahr

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