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Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst

Titel: Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Mishani
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Stromschlag zu versetzen, um an ihr Geld zu kommen. Avraham Avraham fasste sie in einem separaten Kapitel zusammen und vermerkte, dieses Material müsse an die Kollegen des Küstenbereichs im Norddistrikt zur weiteren Überprüfung gehen. Eine sonderbare Wendung, die Kintjew immer wieder benutzt hatte, machte ihn bei nochmaliger Lektüre seiner Zusammenfassungen stutzig – »Wenn Sie mein Freund sind«.
    »Wenn Sie mein Freund sind, rede ich mit Ihnen« und »Wenn Sie mein Freund sind, helfe ich Ihnen, die Ermittlung abzuschließen« oder »Wenn Sie mein Freund sind, erzähle ich Ihnen Dinge, die Sie nicht wissen«.
    Avraham Avraham hatte auf diese sonderbaren Versprechungen nur ein einziges Mal reagiert. »Ja, ich bin Ihr Freund«, hatte er zu Kintjew gesagt, woraufhin dieser laut gelacht und gesagt hatte: »Wenn Sie mein Freund sind, dann lassen Sie mich jetzt frei, und ich gehe zu Ihnen nach Hause.«

    Eliyahu Maalul rief an, als Ofers Vater bereits bei Avraham im Zimmer saß.
    Er entschuldigte sich bei dem Vater und verließ den Raum.
    Maalul war, wie vereinbart, am Morgen nochmals in der Schule gewesen, um Ofers Mitschüler und seine Lehrer zu befragen. Er hatte darum gebeten, im Zimmer der schulpsychologischen Beraterin sitzen zu dürfen und sich in ihrem Beisein dort mit den Schülern zu unterhalten. Er nahm an, dies würde den Jugendlichen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln und sie vielleicht ermutigen, etwas zu sagen. »Die Furcht bestimmter Schüler vor der tagtäglichen, konkreten Autorität der Schule ist größer als ihre Angst vor der abstrakten Autorität der Polizei«, hatte er erklärt.
    Maalul keuchte, als würde er beim Reden einen Dauerlauf absolvieren. »Avi, ich sage dir, du irrst dich, er ist nicht weggelaufen, und er hat sich auch nicht umgebracht. Ich habe da keine Zweifel mehr.«
    Als sie am gestrigen Abend telefoniert und die Ermittlungsaktionen für den nächsten Tag abgestimmt hatten, hatte Avraham Avraham erneut versucht, ihm zu erklären, warum seiner Meinung nach die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass Ofer aus freien Stücken von zu Hause weggelaufen war.
    »Bist du auf irgendetwas gestoßen?«
    »Nicht unbedingt … das heißt, doch ja, das bin ich«, erwiderte Maalul. »Am Freitagabend, zwei Tage nach seinem Verschwinden, wollte Ofer ursprünglich mit einer jungen Dame ins Kino gehen. Und wenn ich es richtig verstanden habe, ist ihm das bisher nicht allzu oft passiert. Vielleicht noch nie. Der Freund, von dem diese Information stammt, heißt Yaniv Nesher. Er geht mit Ofer in eine Klasse und ist offenbar sein engster Freund. Allerdings kann ich nicht beurteilen, wie viel dieser Yaniv tatsächlich von Ofer weiß. Drei Tage vor seinem Verschwinden, Anfang der Woche, hat Ofer ihm auf jeden Fall erzählt, er wolle am Freitag mit einem Mädchen, das er über ihn kennengelernt hat, einen Film anschauen gehen.«
    An diesem Tag würde Avraham Avraham noch ein weiteres Mal das Wort Film hören. In anderem Zusammenhang und aus dem Mund eines anderen Menschen. Er würde sich an den Film erinnern, in den Ofer am Freitagabend hatte gehen wollen, und in seinen Gedanken die beiden Filme, die beiden Gespräche miteinander verbinden.
    »Was soll das heißen, Ofer hat sie über ihn kennengelernt?«, fragte er jetzt.
    »Über Yanivs Schwester«, antwortete Maalul. »Ofer war bei ihm zu Hause, um Computerspiele zu tauschen oder am Computer zu spielen, und Yaniv hat eine ein Jahr jüngere Schwester. Die hatte eine Freundin zu Besuch, der Ofer gefallen hat. Sie haben es ihm gesteckt, und er hat ihre Handynummer bekommen. Offenbar hat er das erst verdauen müssen, aber letzte Woche hat er sie dann angerufen. Egal, die Einzelheiten sind nicht so wichtig. Worauf es hier ankommt, ist, dass sie sich letzten Freitag fürs Kino verabredet haben. Zwei Tage davor ist er verschwunden.«
    Nicht so wichtig? Und ob die Einzelheiten wichtig waren! Auf den ersten Blick waren es zwar keine einschneidenden Neuigkeiten, aber sie vermittelten plötzlich ein ganz anderes Bild von Ofer, das nicht zu dem passte, was man Avraham in den letzten Tagen ständig erzählt hatte. Über Ofer, der nie wegging. Der mit niemandem über sein Leben sprach. Und nun hieß es, er sei bei einem Freund gewesen. Habe vorgehabt, ins Kino zu gehen. Habe einem Mädchen gefallen.
    »Hast du mit ihr gesprochen?«, fragte Avraham.
    »Nein, sie geht aufs Gymnasium in Kiryat Sharet. Ich bin gerade auf dem Weg dorthin. Außerdem, ich wusste nicht, dass

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