AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK
Letzteres hatte knackige -18°C und man konnte es darin auch mit dicker Jacke und Handschuhen nur fünf Minuten am Stück aushalten, bevor man mit hochrotem Kopf eine Pause brauchte.
Victor – ich nannte ihn damals noch „ Oom “ (Onkel werden fast alle Männer, die zehn oder mehr Jahre älter als einen waren, Tannie: Tante die Frauen genannt) und später „Meneer“, war ein strenger aber auch verständnisvoller Chef: Er verstand es gut, seinen Kunden ein bisschen mehr zu verkaufen. Er hatte sich mit seiner Qualitätsmetzgerei – Kunden kamen sogar aus Johannesburg extra zu uns und Luxuslodges bestellten die besten Stücke ausschließlich bei ihm – bereits eine goldene Nase verdient. Bald sollte er zwei weiteren Filialen eröffnen. Gerne alberte er auch mal herum und ließ die Muskeln spielen, packte einem von hinten und drehte einem durch die Luft, unter lautes Gejohle der restlichen Mitarbeiter. Er hatte ein riesiges, Grasüberdachtes Haus und eine Wildfarm gleich hinter dem Laden, wo er und Boet öfters auf Jagd gingen für frisches Fleisch. Mussten einer der vielen Wildfarmbesitzer der Region mal wieder die Population reduzieren, kaufte Victor natürlich auch gern die Tiere ab und ließ sie bei uns häuten und schlachten.
Boet, der Vize und Experte für Wurstwaren und Biltong , war ein mollig-untergesetzter, stiller Mann der einem viel beibringen konnte und ein Engelsgeduld hatte. Er kam aber des Öfteren mit einem besonders ekligen Scherz um die Ecke: Er versteckte ein blutiges, schleimiges Reststück irgendeines Tieres in seiner Hand, nießte unüberhörbar laut und ließ das blutige Etwas dann als Ergebnis des Niesens an seiner Hand hängen, guckte dabei jedesmal ganz perplex. Wiederum lautes Gejohle. Auch wenn einer mal wieder Salz in seinem Kaffee gestreut hatte, diente es zur Belustigung aller wie er sein Gesicht dabei verziehen konnte. Kaffee wurde dort von den schwarzen Frauen ständig nachgefüllt – bald war ich süchtig nach dem Instantgebräu.
Ein schräger Vogel erster Güte war ein langgewachsener, langhaariger Portugiese namens Luis: er streute einem das Salz in den Kaffee, lief mehrmals am Tag durch den Laden mit einem schrillen, ohrenbetäubenden „ EY – CARAMBA“ und konnte die Kasse im Lichtgeschwindigkeit bedienen, dass es keiner nachvollziehen konnte. Sein Auto, mit der er mich manchmal nach Hause und einmal nach einem besonders tiefen Schnitt in den Mittelfinger in Krankenhaus fuhr, war ein Daihatsu (Gesundheit!) der „bitte nicht zu waschen sei – es wird von dem Dreck zusammen gehalten!“.
Der beste der schwarzen Mitarbeiter (merke – ich unterscheide immer! Schließlich war Apartheid noch nicht ganz zu Ende und bis heute bleibt die Rassentrennung allgegenwärtig) war Mapaila – ein älterer, auf seiner Weise lauter und sehr großer Mann den man nicht s vormachen konnte und der wie der Blitz mit der Wetzstange und dem Messer umgehen konnte. Er brachte mir schließlich das debonen bei sowie das blitzschnelle aufspießen und Marinieren von sosaties , und scherzte immerzu gutmütig, meine Akne sei sicher ein Zeichen von AIDS.
In den Sommerferien desselben Jahres fing Grant auch bei uns als Metzgerjunge an und eine innige Freundschaft begann durch Zufall. Ich kannte ihn vorher nicht obwohl er zwei Blocks entfernt wohnte: er ging in einer anderen Schule. Ein schüchterner Junge aus etwas ärmlichen Verhältnissen – seine Eltern fuhren noch ein VW Käfer – der fest entschlossen war, etwas aus sich zu machen und mich dabei zunächst ziemlich übertraf. Er war äußerst hübsch, mit großen braunen Augen, glatte dunkle Haare und ein sehr einnehmendes Lächeln. Ich war bald unsterblich verknallt – er wusste es genau und konnte von mir alles verlangen - und wollte jede Sekunde mit ihm verbringen. Der Arbeit wegen ging das gut: Wir trafen uns am frühen Morgen um zusammen zu fahren, teilten unser Mittagsbrot auf dem Rasen vorm Haus des Chefs, überstanden gemeinsam die Kälte im Gefrierraum, rauften uns bis aufs Intime im Kühlraum und hingen uns täglich von der großen Fleischwaage um zu sehen, wer am meisten wuchs.
Grant war einem Jahr jünger als ich und Anfangs noch um Einiges kleiner und schlanker. Ich indes nahm ordentlich zu und zwar an den richtigen Stellen: wog ich mit fünfzehn noch knapp über 50 Kilogramm, waren es mit sechzehn bereits meine ausgewachsene 70 Kilogramm. Der eiweißreiche Diät trug einiges dazu bei und gepaart damit, dass ich bald bis zu 70
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