Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK

AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK

Titel: AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.S. Barnstijn
Vom Netzwerk:
Zimmer zu putzen und kontrollieren, Wäsche zu waschen und bügeln und ewig mit den Minibargetränken herum zu hantieren. Das Hotel hatte zwei Gebäude auf sich schräg gegenüberliegenden Straßenseiten und dies beinhaltete einiges an hin- und her Laufen und Schleppen. Später kam ich dann in die Küche, wo ich bereits um halb sechs den Frühstück für bis zu 200 Personen vorbereiten sollte, dafür immerhin schon um halb drei Feierabend hatte. Im Frühstücks- und Mittagessenservice im Restaurant lernte ich schnell, wie man Geschirr abräumt ohne einen Scherbenhaufen zu hinterlassen, sowie den für mich sehr ungewohnten Umgang mit Menschen, die einem höher gestellt waren: den Gästen.
    Kevin hatte einen recht monotonen Job als Zivildienstleistenden im Altersheim und auf seinem Andringen gingen wir an bis zu vier Abenden pro Woche ins Clique, um uns dort voll laufen zu lassen. Meine ohnehin begrenzten Ersparnissen schwanden bald dahin und es kam, wie es kommen musste: Ohnehin teilten wir uns bereits jede Zigarette – er zuerst und dann ich die zweite Hälfte. Einige Male gaben Kevin und ich dann in unser Stammlokal für hundert Mark eine Stripshow, in der unter lauten Beifall und mit Babyöl eingerieben, alles dem Publikum gezeigt wurde. Das Geld indes verschwand bald in unserer Zeche. Sex hatten wir sogar mitten in der Nacht und es war phantastisch, bis sich Kevin eine eher unbeliebte, wenn behandelbare Geschlechtskrankheit zuzog. Derlei Leiden waren damals durchaus Gang und Gäbe in unseren Kreisen: man gab nicht viel um safer Sex und hätte die Verbreitung mancher Virus damit ohnehin nur begrenzt verhindern können.
    Ich sah meinem einundzwanzigsten Geburtstag mit Freude entgegen , denn dann wäre ich traditionell endlich erwachsen – im englischsprachigen Ländern, wozu auch Südafrika gehörte, wurde dies oft groß gefeiert und für gewöhnlich bekam man, als Symbol des Erwachsentums, einen silbernen Schlüssel in irgendeiner Form geschenkt. Bei reicheren Sprösslingen war es nicht selten auch der Schlüssel zu einer Wohnung oder einem Auto. Ich wusste, dass ich nichts von alledem von meiner Familie erwarten konnte, doch war es das Gefühl, diese magische Grenze erreicht zu haben, das mich beflügelte. Unterdessen erwartete mich ein Geschenk ganz anderer Art.
    Kevin wurde in einer Klinik wegen seiner Geschlechtskrankheit behandelt und dort nahm man routinemäßig eine Blutprobe auf HIV. Seine Welt brach zusammen, als sich heraus stellte, dass er das Immunschwächevirus bereits hatte. Umgehend ließ ich mich auch testen – ich hatte es in den Jahren zuvor bereits mehrmals getan mit negativem Ergebnis – obwohl ich bereits stark ahnte, was mich erwartete. Hatte Kevin mich angesteckt oder ich ihn? Eine sinnlose Überlegung, denn wir waren beide niemals unschuldig oder gar einigermaßen vorsichtig gewesen.
    Auf dem Weg im Aufzug, vom Erdgeschoß in die fünfte Etage des Hotels, musste ich am nächsten Tag kurz weinen. Doch öffnete sich die Aufzugstür, hieß es: The show must go on .
    Damit erklärte sich meine seit längerem geschwollenen Lymphknoten und die Grippeähnliche Symptome, die mich bereits an einigen Tagen der Arbeit fernbleiben ließen. Beide wurden wir in die Universitätsklinik verwiesen, wo wir zunächst stundenlang auf dem Gang warteten auf unser Todesurteil. Was würden wir noch tun können im unserem kurzen verbleibendem Leben? Man erinnerte sich an den Film Philadelphia und an Freddie Mercurys qualvollem Tod – vor gar nicht allzu langen zeit starben Menschen reihenweise an AIDS (In Afrika tun sie es heute noch; die Friedhöfe sind voller neuer Grabmale!).
    Der schon ziemlich betagte Arzt (was hatte er wohl alles schon miterlebt!) gab uns zu unserem Erstaunen jedoch Hoffnung und Rezepte. Es gab Medikamente! Zehn Jahre Minimum! Geringe Nebenwirkungen! Die Forschung stand nicht still u nd tut es auch heute nicht. Wir sollten brav unsere Pillen einnehmen, einmal im Quartal zum großen Blutbild in die Klinik vorbei kommen und generell versuchen, uns gesund zu ernähren.
    Dennoch änderten sich unser Leben und unseren Erwartungen, Stück für Stück, Monat für Monat. Würden die Medikamente funktionieren? Unsicher. Nebenwirkungen? Unsicher. Lebenserwartung? Unsicher – nicht lange genug erforscht. Wir versprachen uns, es zusammen durch zu stehen und für immer völlig monogam zusammen zu leben. Oder so lange, bis es einem von uns doch dahinraffen sollte. Was würden Freunde, Familie  und

Weitere Kostenlose Bücher