Axis
schlafen«, flüsterte sie.
Turk blickte weiter auf die mondbeschienene Straße. Nichts geschah. Nichts deutete darauf hin, dass die sonderbaren Eruptionen aus der Asche von neuem beginnen könnten. Nach einer Weile sagte er: »Möchtest du reden?«
»Ich will niemanden aufwecken.«
»Gehen wir zum Auto.« Er hatte den Jeep näher zum Motel gefahren, um ihn leichter im Auge behalten zu können. »Wir können uns für eine Weile reinsetzen. Ich denke, das ist jetzt sicher.«
Lise hatte das Zimmer seit ihrer Ankunft nicht verlassen, daher erschien ihr der Vorschlag reizvoll. Sie schlüpfte in Jeans und Schuhe, dann traten sie vorsichtig nach draußen.
Der Schwefelgeruch war immer noch stark. Warum roch die Asche überhaupt nach Schwefel? Die Maschinen der Hypothetischen existierten an kalten Orten, so hatte es Lise in der Schule gelernt: weit entfernte Asteroiden, die gefrorenen Monde gefrorener Planeten. Gab es dort draußen Schwefel? Sie hatte gehört, dass es auf den Monden des Jupiters Schwefel gab. Auch das Sonnensystem der Neuen Welt besaß so einen Planeten, einen kalten radioaktiven Riesen, weit von der Sonne weg.
Mit Einbruch der Nacht hatte sich der Wind gelegt. Der Himmel war diesig, doch man konnte einige Sterne sehen.
Wieder musste Lise an ihren Vater denken. Die Sterne brauchen Namen, hatte er immer gesagt, also hatten sie ihnen Namen gegeben: Der Große Blaue, Spitze des Dreiecks, Belinda, Pampelmuse, Antilope…
Sie glitt auf die Vorderbank neben Turk.
»Wir müssen darüber reden, was nun geschehen soll«, sagte er.
Ja, das mussten sie. »Die Vierten bringen Isaac nach Westen.«
»Und was wollen sie damit erreichen?«
»Sie denken, dass er mit den Hypothetischen reden kann.«
»Wunderbar! Und was soll er sagen? Herzliche Grüße von der Menschheit? Hört bitte auf, uns mit irgendwelchem Zeug zu bewerfen?«
»Sie erhoffen sich grundlegende Erkenntnisse über sie.«
»Und du? Glaubst du das?«
»Nein. Aber sie tun es. Zumindest Dvali.«
»Vierte sind im Allgemeinen vernünftige Menschen, aber würdest du eine Wette abgeben auf das, was dabei herauskommt? Ich nicht.«
Es war wie Religion, dachte Lise. Man wettete nicht darauf – man suchte danach mit offenem Herzen. »Also schön, was machen wir, wenn sie in die Wüste aufbrechen?«
»Ich denke darüber nach, mit ihnen zu gehen.«
»Wie bitte?«
»Du hast doch die Karte gesehen. Der Ort, zu dem sie wollen, liegt auf drei Viertel des Weges zur Westküste. Von dort aus führt eine akzeptable Straße bis zum Meer. An der Westküste gibt es nichts außer Fischerdörfern und Forschungsstationen. Ich könnte ein Schiff nehmen, das auf der südlichen Route nach Port Magellan fährt, und wenn ich dort ankomme, wird niemand mehr nach mir suchen, die ganze Vierten-Geschichte wird vorbei sein. Ich muss mir nur einen Satz neuer Papiere besorgen.«
Lise fröstelte. Die Polster waren kalt, die Fenster beschlugen von ihrem Atem. »Ich sehe da das eine oder andere Problem.«
»Nun, da geht es mir nicht anders. Wie sieht denn deine Liste aus?«
»Einmal der Ascheregen. Selbst wenn die Straßen passierbar sind, selbst wenn du ein gutes Auto hast, du könntest trotzdem liegen bleiben – kein Benzin mehr, Probleme mit dem Motor.«
»Es ist ein Risiko, aber man kann Vorsorgen, Werkzeug mitnehmen, Ersatzteile, Benzin und so weiter.«
»Dann die Vierten. Sie rechnen damit, dort draußen irgendetwas zu finden. Was, wenn sie recht haben? Denk daran, wie das fliegende Ding sich auf Isaac gestürzt hat. Vielleicht zieht er diese Wesen, die aus der Asche kommen, auf unheimliche Weise an.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber bisher gibt es keine Berichte, dass jemand von diesen Dingern ernsthaft verletzt worden wäre, höchstens aus Versehen. Auch Isaac nicht. Was immer da passiert ist, es scheint seinen Zustand nicht verschlechtert zu haben.«
»Es ist auf seinem Gesicht gelandet, Turk. In die Haut eingesunken.«
»Er hat kein Fieber, er ist nicht kränker als vorher.«
»Du würdest nicht so reden, wenn du betroffen wärst.«
»Das ist genau der Punkt – ich bin nicht betroffen. Ganz gleich, was das für ein Ding war, es war nicht hinter mir her.«
»Also fahren wir einfach mit, und wenn sie mit Isaac fertig sind – was immer das heißt –, geht’s weiter zur Küste? Ist das der Plan?«
Etwas verlegen erwiderte er: »Es müssen ja nicht wir beide sein. Wenn du möchtest, kannst du hierbleiben und versuchen, eine
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