Axis
haben wir doch wenigstens einigen Leuten ordentlich ins Handwerk gepfuscht.«
»Und dafür sind Menschen gestorben?«
»Was meinen Sie damit? Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand gestorben wäre.«
So war er schließlich wieder in seiner Wohnung, als sich der Himmel zum zweiten Mal mit leuchtendem Maschinenabfall füllte.
Die Nachrichtensendungen verfolgte er mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Die Sprecher benutzten Begriffe wie »fremdartig« und »nie dagewesen«, doch Brian war unbeeindruckt: Es war doch nur eine Art Himmelsfäulnis, die Überreste eines gewaltigen Zerfallsprozesses. Alles Gemachte hatte nun einmal eine begrenzte Lebensdauer. Die ägyptischen Pyramiden versanken, die römischen Aquädukte waren nur noch steinerne Ruinen – und auch die Gebilde der Hypothetischen fielen der Entropie anheim, nachdem sie über Millionen von Jahren hinweg ihrem Zweck gedient hatten.
Ihre Asche allerdings gebar Monstrositäten, von denen er einige von seinem Fenster aus sehen konnte. Fünfzig Meter die Straße hinunter, dort, wo das arabische Geschäftsviertel in ein Labyrinth aus Souks und Teehäusern mündete, schwankte eine grüne Röhre von der Größe eines Abwasserrohres im Wind, um schließlich umzustürzen und die Kreuzung zu versperren.
Brian musste an Lises letzten Anruf denken. Wo war sie jetzt wohl? Nicht einmal Sigmund und Weil hatten ihm diese Frage beantworten können. Sie war mit den Vierten geflohen. Frei, möglicherweise, in einem ihm unverständlichen Sinn des Wortes. Noch unzerbrochen. Noch nicht auf die Erde gefallen wie eine alte Maschine.
Diesmal dauerte es länger, die Asche zu beseitigen. Und die Leute begannen, Fragen zu stellen. War es nun zu Ende oder würde es wieder geschehen? Folgte es womöglich einer exponentiellen Kurve, jedes Mal stärker und sonderbarer, bis Port Magellan unter einer Masse von Objekten begraben war, die wie riesige Kinderspielsachen aussahen?
Brian wollte diese Möglichkeit ausschließen, aber… immerhin, dachte er, war das ein fremder Planet, und wie leichtgläubig waren wir, anzunehmen, wir könnten uns hier einfach einrichten, als wäre es eine zweite Erde?
Als es nicht mehr länger aufzuschieben war, fuhr Brian von seiner Wohnung durch die verschmutzten Straßen zum Konsulat. Oben angekommen, ging er an seinem Büro vorbei zu dem seines unmittelbaren Vorgesetzten, Konsularrat Larry Diesenhall, ein fünfundfünfzigjähriger Karrierediplomat mit rasiertem Kopf und so fein gefärbten Augen, dass es aussah, als wären sie ihm mit Buntstiften ins Gesicht gemalt worden. Diesenhall lächelte, als Brian eintrat. »Schön, dass Sie wieder da sind, Brian.«
Wieder da. Der verlorene Sohn. Brian zog einen Umschlag aus der Jacketttasche und ließ ihn auf Diesenhalls Schreibtisch fallen.
»Was ist das?«
»Sehen Sie es sich an.«
Der Umschlag enthielt Fotos – die Fotos, die Pieter Kirchberg Brian geschickt und von denen er heute Morgen Kopien angefertigt hatte.
»Mein Gott! Was soll das sein?«
Das sind die Toten, dachte Brian. Die Toten, die bei Kirchenpicknicks und in Büros wie diesem durch Abwesenheit glänzen. Er setzte sich und erzählte von Tomas Ginn und Sigmund und Weil und der Explosion in der Wüste und den drei Vierten, die man in Turk Findleys Flugzeug gefunden hat und die vielleicht – vielleicht auch nicht – gefoltert werden, um ihnen ein Geständnis abzupressen. Mehrmals versuchte Diesenhall, ihn zu unterbrechen, doch er sprach unbeirrt weiter, wie unter einem inneren Zwang – eine Redeflut, die nicht eingedämmt werden konnte.
Als er zu Ende war, starrte sein Vorgesetzter ihn mit offenem Mund an. »Gott, Brian… Ist Ihnen klar, wie prekär Ihre Position in dieser Sache ist? Sie beschweren sich hier über Sigmund und Weil, mit denen ich aber gar nichts zu tun habe. Weder Sie noch ich sind Mitglieder des Executive Action Committee, und diese Leute sind uns gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Sie waren mit einer Frau verheiratet, die sich offenbar mit aktenkundigen Vierten eingelassen hat. Das alles hätte für Sie viel schlimmer kommen können. Es wurden Fragen über Sie gestellt. Zu Ihrer Loyalität. Und ich habe mich für Sie eingesetzt. Aber jetzt kommen Sie zu mir mit diesen Anschuldigungen und dieser…« Diesenhall deutete auf die Fotos. »… Obszönität. Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
»Ich weiß nicht. Sich beschweren. Einen Bericht schreiben.«
»Tatsächlich? Wollen Sie wirklich, dass ich so etwas
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