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Axis

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Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mitfahrgelegenheit über den Pass zu bekommen, sobald die Asche weg ist. Du hast ganz andere Optionen als ich. Wäre wahrscheinlich sicherer für dich, es so zu machen, objektiv betrachtet.«
    Objektiv betrachtet. Offenbar wollte Turk ihr die Möglichkeit geben, halbwegs unversehrt aus der Sache auszusteigen. In seinem Leben konnte sich das Glück jederzeit wenden, musste das Schicksal stets aufs Neue herausgefordert werden. Ihr Leben war anders, wollte er ihr zu verstehen geben, und damit hatte er natürlich recht – im Großen und Ganzen.
    »Ich denk drüber nach.« Sie stieg aus dem Auto und wünschte sich, sie hätte schlafen können.
     
    Am Morgen hatte sich in Bustee ein Zustand von Beinahe-Normalität eingestellt: Fußgänger auf der Straße, einige fahrtüchtige Autos, die in Richtung der größeren Städte im Süden aufbrachen. Gemeinsam bestaunte man die Überreste der fremdartigen Geschöpfe, soweit sie noch an Häuserfassaden hingen oder auf den Gehsteigen lagen. Das Leben hier setzt sich wieder zusammen, dachte Lise. Nur ihr eigenes, noch gründlicher durcheinandergewirbelt, wollte sich nicht so schnell zu einem neuen Ganzen fügen.
    Dvali, Sulean Moi, Diane Dupree und Turk zogen los, um zu sehen, was es in den örtlichen Geschäften noch zu kaufen gab. Turk sprach sogar davon, wenn möglich, ein zweites Fahrzeug zu besorgen.
    Lise blieb mit Anna Rebka und Isaac im Motelzimmer, in der Hoffnung, noch ein wenig schlafen zu können. Doch das erwies sich als schwierig, denn Isaac war wieder unruhig geworden. Nicht wegen des Dings, das ihn attackiert hatte – das schien seinem Bewusstsein so schnell entschwunden zu sein wie ein böser Traum –, sondern weil es ihn neuerlich – und immer drängender – nach Westen zog. Sie hatten ihm einige vorsichtige Fragen dazu gestellt. Was meinte er, wenn er von etwas »unter der Erde« sprach? Doch Isaac konnte das, sosehr er sich auch bemühte, nicht beantworten und wurde darüber immer verzweifelter.
    Also sagten sie ihm, dass sie nach Westen fahren werden, so bald wie möglich, und schließlich nahm Isaac diesen Trost an und schlief wieder ein.
    Anna Rebka erhob sich vom Bett und setzte sich in einen Sessel. Lise beobachtete sie. Sie sah etwa aus wie fünfzig. Allerdings war sie eine Vierte und Vierte konnten jahrzehntelang »wie fünfzig« aussehen. Doch wenn Isaac ihr Kind war, konnte sie eigentlich nicht viel älter sein. Und war es nicht generell so, dass Vierte empfängnisunfähig waren? Anna Rebka musste also vor ihrer Behandlung schwanger gewesen sein.
    Die naheliegende Frage war heikel, doch Lise war entschlossen, sie zu stellen, und es würde sich wohl keine bessere Gelegenheit dazu bieten. »Wie ist es gekommen? Das mit dem Jungen, meine ich. Wie ist er…«
    Anna Rebka schloss kurz die Augen. Müde, traurig. »Was wollen Sie wissen, Miss Adams? Wie er umgewandelt wurde? Wie er empfangen wurde? Die Geschichte ist nicht sonderlich aufregend. Mein Mann war Dozent und wurde zeitweilig an die Amerikanische Universität versetzt. Er war kein Vierter, aber sozusagen ein Sympathisant. Er hätte die Behandlung in Betracht gezogen, wäre er nicht orthodoxer Jude gewesen – sein Glaube verbot es ihm. Daran ist er sogar gestorben. Er hatte ein Aneurysma im Gehirn, und die Vierten-Behandlung wäre die einzige Möglichkeit gewesen, sein Leben zu retten. Ich habe ihn angefleht, es zu machen, aber er weigerte sich. In meinem Kummer habe ich ihn sogar gehasst dafür. Weil…«
    »Weil Sie schwanger waren.«
    »Ja.«
    »Wusste er das?«
    »Kurz bevor ich mir wirklich ganz sicher war, ist er gestorben.«
    »Und das Kind war Isaac.«
    Anna Rebka wandte den Blick ab. »Zunächst war es lediglich fötales Gewebe. Ich weiß, wie brutal das klingt, aber ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, das Kind allein aufzuziehen. Ich wollte eine Abtreibung vornehmen lassen. Dr. Dvali hat mich davon abgebracht. Er war einer der engsten Freunde meines Mannes. Er erzählte mir, wie es ist, Vierter zu sein, eine – in gewissem Sinne – bessere Sorte Mensch. Und er sprach mit mir über die Hypothetischen, ein Thema, das mich schon immer interessiert hat. Er machte mich mit anderen Mitgliedern seiner Gemeinschaft bekannt. Sie waren mir eine große Hilfe.«
    »Und sie haben Sie überredet… es zu tun.«
    »So banal war es nicht. Man hat mich nicht bearbeitet oder so etwas. Ich mochte diese Leute – mehr als all die Unveränderten, die mich besuchten, sich aufdringlich mitfühlend

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