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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Frau sich näherte. Er schloss die Augen und stellte sich vor, er würde die Masse und das Gewicht der Erde unter sich spüren und die Schritte der alten Frau auf der Haut der Wüste, kitzelnd, wie ein Käfer auf dem Körper eines schlafenden Riesen.
    (Und noch etwas anderes, etwas tief unten in dieser Erde, ein stiller Behemoth, der sich, weit im Westen, nach langem Schlaf zu regen begann…)
    Als hätte sie ihn in seinem Versteck erblickt, blieb die alte Frau unter dem Felsvorsprung stehen. Isaac merkte es daran, dass der Rhythmus ihrer schlurfenden Schritte aussetzte. Vielleicht machte sie aber auch nur eine Pause, um zwischendurch einen Schluck Wasser zu trinken. Jedenfalls sagte sie nichts, und Isaac verhielt sich seinerseits mucksmäuschenstill, etwas, was er perfekt beherrschte.
    Dann setzten die Schritte wieder ein. Die Frau ging weiter und verließ die Straße schließlich an der Stelle, an der ein Pfad zu dem umzäunten Gelände abzweigte. Isaac reckte den Kopf und sah ihr nach. Das Licht des Nachmittags zog ihren Schatten neben ihr her wie eine langbeinige Karikatur. Plötzlich blieb sie erneut stehen, drehte sich um, und für einen Moment schien es, als würden sich ihre Blicke treffen, sodass Isaac sich hastig wegduckte. Erschrocken darüber, wie genau sie in seine Richtung gesehen hatte, verharrte er so lange in seinem Versteck, bis das Sonnenlicht schräg in die Bergpässe hineinfiel. Er versteckte sich sogar vor sich selbst – still wie ein Fisch in einem Tümpel der Erinnerung, der Gedanken.
    Die alte Frau gelangte zum Tor und betrat das Gelände, und bevor der Himmel vollständig dunkel wurde, folgte Isaac ihr. Er fragte sich, ob man sie ihm vorstellen würde, beim Abendessen vielleicht.
    Es kamen nur sehr wenige Außenstehende hierher. Und die meisten von denen, die kamen, blieben.
     
    Nachdem Isaac gebadet und sich saubere Sachen angezogen hatte, ging er in den Speisesaal.
    Hier versammelte sich jeden Abend die gesamte Gemeinschaft, alle dreißig Erwachsenen. Die Morgen- und Nachmittagsmahlzeiten waren jedem Einzelnen überlassen, konnten jederzeit eingenommen werden, sofern man gewillt war, sich selbst in der Küche zu versorgen, doch das Abendessen war eine gemeinschaftliche Angelegenheit mit stets großem Auftrieb und unvermeidlich laut.
    Für gewöhnlich machte es Isaac Spaß, den Erwachsenen zuzuhören, obwohl er selten verstand, wovon die Rede war, wenn es nicht gerade um ausgesprochen Triviales ging: Wer an der Reihe war, Vorräte in der Stadt zu besorgen, wie ein Dach repariert oder ein Brunnen verbessert werden könnte. Da die Erwachsenen jedoch überwiegend Wissenschaftler und Theoretiker waren, wandte sich ihr Gespräch häufiger abstrakten Dingen zu. Beim Zuhören schnappte Isaac zwar nur wenig von den Details ihrer Arbeit auf, aber einiges von ihrem allgemeinen Gehalt: Immer wieder war von der Zeit die Rede, den Sternen und den Hypothetischen, von Technologie und Biologie, von Evolution und Transformation. Und obwohl diese Gespräche meistens um Begriffe kreisten, die ihm absolut nichts sagten, hatten sie für sein Gefühl etwas Bedeutungsschweres. Oft wurden die Diskussionen – war es angemessen, die Hypothetischen als mit Bewusstsein begabte Wesen zu bezeichnen, oder waren sie vielmehr ein bewusstloser Prozess? – sehr erregt geführt, wurden Thesen oder Grundüberzeugungen angegriffen beziehungsweise verteidigt wie ein militärisches Ziel. Es war, als würde in einem nahe gelegenen, aber unzugänglichen Raum das ganze Universum auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt.
    An diesem Abend allerdings herrschte ein eher gedämpftes Murmeln. Es gab einen Neuankömmling: die alte Frau von der Straße. Isaac warf verstohlene Blicke in ihre Richtung, während er zwischen Dr. Dvali und Mrs. Rebka Platz nahm. Sie erwiderte diese Blicke nicht, ja schien seine Anwesenheit am Tisch gar nicht wahrzunehmen. Als sich die Gelegenheit ergab, betrachtete Isaac ihr Gesicht genauer.
    Sie war noch älter, als er vermutet hatte. Ihre Haut war dunkel und von Falten durchzogen. Die Augen, hell und glänzend, blickten aus knochigen Höhlen hervor. Messer und Gabel hielt sie in langen, zerbrechlich wirkenden Fingern. Die Handinnenflächen waren blass. Sie hatte die Wüstenkleidung abgelegt und Sachen angezogen, die denen der anderen Erwachsenen ähnelten: Jeans und ein blassgelbes Baumwollhemd. Sie hatte dünne, sehr kurz geschnittene Haare. Sie trug keinerlei Ringe oder Ketten. In einer Armbeuge

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