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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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nachdenken. »Besser.«
    »Hast du Angst?«
    »Nein. Na ja, keine große.«
    »Darf ich dich etwas fragen?«
    Der Junge nickte.
    »Gestern Abend hast du gesagt, du könntest durch die Wände sehen. Da wäre ein Licht. Siehst du es noch immer?«
    Noch ein Nicken.
    »Wo? Kannst du in die Richtung zeigen?«
    Isaac tat es.
    Diane wandte sich Turk zu. »Haben Sie Ihren Kompass dabei?«
    Turk besaß einen mit Messing ummantelten Kompass, und er hatte sich, sehr zu Dianes Missfallen, geweigert, ihn im Dorf der Minang zurückzulassen. Er zog ihn aus der Tasche und richtete ihn entlang Isaacs Arm aus.
    »Das ist nichts Neues«, sagte Anna Rebka ungeduldig. »Er zeigt immer in die gleiche Richtung. Nach Westen, ein wenig nördlich versetzt.«
    »Jetzt ziemlich genau nach Westen«, erwiderte Turk. »Wenn überhaupt, dann eher nach Süden abweichend.« Er sah auf und registrierte den überraschten Ausdruck auf ihren Gesichtern. »Warum? Ist das wichtig?«
     
    Bis zum Nachmittag hatte sich die Situation einigermaßen beruhigt. Seit Stunden war nichts mehr aus der Asche herausgewachsen. Hin und wieder gab es einige Wirbel, doch dafür konnte auch der Wind verantwortlich sein – ein böiger Wind, der die Luft trübte und graue Verwehungen gegen vertikale Flächen schichtete.
    Wenige der bizarren Gewächse überdauerten den Vormittag; die meisten, wie die Blume mit dem Auge, wurden von kleineren, beweglicheren Wesen attackiert, die daraufhin ihrerseits zerfielen. Vor etwa einer Stunde hatte Lise eine Art Technicolor-Steppenläufer über die Straße wehen sehen, offenbar die Hülse von etwas, das nicht mehr lebensfähig war. Und an einem der Gebäude gegenüber vom Motel hing eine Staubsägearbeit aus spröden weißen Röhren.
    Die relative Ruhe lockte die Leute aus den Häusern. Einige Fahrzeuge mit großen Rädern ratterten vorbei. Der Geschäftsführer des Motels klopfte an die Tür, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Turk erklärte, es gehe ihnen gut. Dann wagte er sich selbst noch einmal nach draußen – die Tür fest hinter ihm geschlossen, Lise am Fenster, ihre Angst so gut es ging verbergend –, um die Lebensmittel zu holen, die er beim letzten Mal fallen gelassen hatte.
    Anna Rebka hielt weiter die Stellung an Isaacs Bett. Der Junge saß jetzt aufrecht, der Westwand des Zimmers zugewandt, so als würde er in Richtung seines persönlichen Mekkas beten. Das war nichts Neues bei ihm, wie Lise begriff, und doch kam es ihr zutiefst unheimlich vor. Als seine Mutter einmal kurz auf die Toilette musste, setzte sich Lise zu dem Jungen.
    Er sah sie an, dann wandte er den Kopf wieder zur Wand.
    »Was ist es, Isaac?«, fragte sie.
    »Es lebt unter der Erde«, erwiderte der Junge.
     
    Turk und Dvali beugten sich über eine Straßenkarte. Lise spähte Turk über die Schulter, während er mit Kugelschreiber und Lineal Linien zeichnete. »Was macht ihr da?«
    »Wir triangulieren«, sagte Turk.
    »Und was trianguliert ihr?«
    Dvali deutete auf ein Viereck auf der Karte. »Das ist der Ort, wo Sie uns angetroffen haben, Miss Adams. Von dort sind wir losgefahren, ungefähr dreihundertfünfzig Kilometer nach Norden – hierher.« Bustee. »Auf unserem Gelände war Isaacs Obsession auf einen ganz bestimmten Punkt gerichtet, den wir hier eingezeichnet haben.« Eine lange Linie nach Westen. »Nun scheint sich sein Richtungssinn leicht verändert zu haben.« Eine weitere lange Linie, nicht ganz parallel zur ersten. Über der Wüste näherten sich die Linien langsam an und fanden schließlich ihren Schnittpunkt in der Rub al-Khali, der sandigen Hochebene, die das westliche Viertel Äquatorias bildete.
    »Auf diesen Punkt zeigt er also?«
    »Ja, schon den ganzen Sommer.«
    »Warum? Was ist dort?«
    »Soweit ich weiß, nichts.«
    »Aber er will dorthin.«
    »Ja.« Dvali sah an Lise vorbei zu den anderen. »Und wir werden ihn dorthin bringen.«
    Anna Rebka nickte, die Augen voller Tränen.
     
    In der Nacht konnte Lise nicht schlafen. Sie warf sich auf der Matratze hin und her, den Geräuschen lauschend, die die Übrigen machten. So viele Gebrechen die Vierten-Behandlung auch heilen mochte, was das Schnarchen betraf, war sie offenkundig wirkungslos.
    Schließlich – es war lange nach Mitternacht – stand sie auf, stieg über schlafende Körper, um ins Bad zu gelangen, und spritzte sich dort lauwarmes Wasser ins Gesicht. Dann, statt sich wieder hinzulegen, trat sie ans Fenster, wo Turk in einem Sessel sitzend Wache hielt.
    »Kann nicht

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