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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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ab und konzentrierte sich auf die anstehende Aufgabe.
    Der Parkplatz des Motels war ein Halbmond mit einem leeren Keramikbrunnen in der Mitte. Dahinter die Hauptstraße, der Highway 7, der in die Rub al-Khali führte. Auf der anderen Straßenseite eine Reihe einstöckiger Gebäude. Alles war mit Asche überzogen, die Fenster blind, die Straßen- und Werbeschilder unlesbar. Es herrschte Stille.
    Ihr Jeep parkte etwa zehn Meter zu Turks Linken. Er sah zu Lise, die die Tür einen Spalt weit offen hielt, winkte ihr zu. Sie nickte. Alles klar.
    Er machte lange, bedachtsame Schritte, versuchte nicht allzu viel Asche aufzuwirbeln. Seine Schuhe hinterließen detailgenaue Abdrücke.
    Er erreichte das Auto. Bisher keine besonderen Vorkommnisse. Mit dem Unterarm wischte er eine Schicht Asche vom Heck, um den Kofferraum freizumachen, wo die Lebensmittel verstaut waren. Dann steckte er den Schlüssel in das Schloss. Staubranken wehten um seine Hände herum auf.
    Er hielt inne, hob das Tuch an, das seinen Mund bedeckte, und spuckte aus. Der Speichel tropfte zäh auf den mit Asche bedeckten Boden, und fast rechnete Turk damit, dass sich irgendetwas daraus erheben würde, um ihn sich zu schnappen, wie ein Fisch einen Köder.
    Er öffnete den Kofferraum und griff sich eine Kühltasche mit Wasserflaschen sowie einen Karton mit Konserven – solche, die man notfalls essen konnte, ohne sie vorher aufwärmen zu müssen. Das war, zusammen mit ein paar Packungen Brot, alles, was er tragen konnte. Natürlich könnte er ins Auto steigen und es näher ans Motel fahren, aber dann…
    »Turk!«
    Lise. Er drehte sich um. Die Tür weit offen, stand sie nach vorn gebeugt, den Zeigefinger ausgestreckt. »Turk! Auf der Straße…«
    Er sah es sofort.
    Es wirkte nicht bedrohlich. Was immer es war. Es sah aus wie ein Fetzen Papier oder ein Stück Plastik, von einem Windstoß erfasst, auf Kopfhöhe über der staubbedeckten Straße schwebend. Aber es war kein Stück Papier, es war etwas ganz und gar Seltsames. In der Mitte war es glasblau gefärbt, an den Rändern rot. Und obwohl sein Flug unbeholfen wirkte, schien es sich nach irgendeinem Muster zu bewegen.
    Plötzlich flatterten die vier Flügelspitzen gleichzeitig auf, hoben es ein Stück höher.
    Und dann bewegte es sich auf Turk zu.
    »Komm zurück!«, schrie Lise.
    Ob die Dinger nun gefährlich waren oder nicht – Turk ließ alles fallen und sprintete los. Auf halbem Weg riskierte er einen Blick über die Schulter. Das Flatterding war rechts hinter ihm, etwa einen Meter, viel zu nahe. Es war größer, als es aus der Entfernung ausgesehen hatte. Und lauter: Es klang wie ein Bettlaken auf der Wäscheleine bei Sturm. Er wusste nicht, ob es ihm etwas antun wollte, aber es war sichtlich interessiert an ihm. Er rannte weiter. Da die Asche hier über zehn Zentimeter hoch lag, an manchen Stellen sogar noch höher, war es, als würde man auf einem Sandstrand laufen. Oder durch einen Albtraum.
    Lise hielt die Tür weit auf.
    Schon konnte Turk das Ding, dessen Flügel wie Kolben auf und ab stießen, im Augenwinkel sehen. Es musste nur noch nach rechts schwenken, dann würde es ihn erwischen. Aber es behielt seinen Kurs bei, parallel zu ihm, fast so, als würde es mit ihm um die Wette laufen.
    Auf die offene Tür zu…
    Turk verlangsamte. Das Flatterding schoss an ihm vorbei.
    »Turk!«
    Er riss sich das Tuch vom Mund und holte tief Luft. Ein Fehler – sofort hatte er einen verstopften Hals. »Mach die Tür zu«, krächzte er. »Die Tür, verdammt noch mal, mach die Scheißtür zu!«
    Ob Lise ihn hören konnte oder nicht, plötzlich ahnte sie, dass Gefahr drohte. Sie sprang zurück, griff gleichzeitig nach dem Türknopf, verfehlte ihn, verlor das Gleichgewicht, fiel hin. Das Flatterding, alles andere als unbeholfen nun, flog auf sie zu, als wäre es lasergesteuert. Turk begann wieder zu sprinten, doch er war zu weit weg.
    Lise richtete sich halb auf und hob einen Arm, um das Ding abzuwehren. Aber es ignorierte sie, so wie es auch Turk ignoriert hatte.
    Er konnte nicht sehen, was als Nächstes geschah. Er hörte einen Schrei und dann Anna Rebkas verzweifelte Stimme. Sie rief Isaacs Namen.

 
22
     
     
    Wie betäubt saß Lise auf dem Boden, wusste nicht recht, was eigentlich geschehen war. Das fliegende Ding, von dem sie gedacht hatte, dass es Turk angreifen würde, war ins Zimmer gekommen. Und Anna Rebka hatte zu schreien begonnen…
    Lise rappelte sich auf.
    »Machen Sie die Tür zu!«, rief Dvali.
    Nein.

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