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Axis

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Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Stiefeln besoffener Ölarbeiter. Turk bearbeitete das Schloss mit einem Wagenheber, während sich Dvali immer wieder nervös nach dem näherrückenden Sturm umsah. Das Licht war bereits rapide am Schwinden.
    Schließlich sprang die Tür auf und sie traten ein. »Gott, das stinkt!«, sagte Lise.
    Die Leute mussten in höchster Eile evakuiert worden sein. In etlichen Wohnungen – es waren eher Zellen, mit schmalen hohen Fenstern und winzigen Badezimmern –, gammelten Lebensmittel vor sich hin. Nach einer Weile fanden sie drei Einheiten, zwei nebeneinander gelegen, die dritte gegenüber, in denen sich der Gestank halbwegs in Grenzen hielt. Dennoch wollte Lise die Fenster öffnen, doch Dvali sagte: »Nein. Die Asche kann jeden Augenblick kommen. Wir werden wohl mit dem Geruch leben müssen.«
    Turk und Dvali entluden das Auto, und als sie fertig waren, hatte sich der Nachmittag in ein schmutziges Zwielicht verwandelt. »Wo bleiben die anderen?«, fragte Dvali.
    »Soll ich sie holen?«
    »Nein. Sie wissen schon, wo sie uns finden. Hoffe ich.«
     
    Diane und Sulean Moi ließen Anna Rebka mit Isaac im Auto und machten sich auf die Suche nach Lebensmitteln. Der Supermarkt war praktisch leer geräumt, nur in einem Lagerraum ganz hinten entdeckten sie noch einige Kartons mit Konservendosen, die zwar nicht sonderlich appetitanregend aussahen, aber unter Umständen lebenswichtig werden konnten, sollte der Sturm länger andauern. Sie trugen die Kartons zum Auto, während der Himmel immer dunkler wurde. »Zwei Kisten noch«, sagte Diane schließlich mit skeptischem Blick auf die Aschewolke, »dann schauen wir, dass wir ein Dach über den Kopf bekommen.«
    Das Oberlicht warf einen blassen Schimmer auf die leeren Regale, von denen einige offenbar bei dem Beben eingestürzt waren. Diane und Sulean griffen sich je einen letzten Karton und eilten zurück zum Ausgang. Unter ihren Füßen knirschte herumliegendes Glas und sonstiger Abfall.
    In dem Moment, als sie herauskamen, hörten sie schon Isaacs Schreie. Diane ließ ihren Karton fallen – etliche Dosen mit Cremesuppe rollten über die Straße – und riss die hintere Wagentür auf. »Helfen Sie mir, Sulean!«
    Die Schreie des Jungen wurden lediglich unterbrochen, wenn er nach Luft holte. Diane fragte sich, wie die Lungen eines Kindes nur so furchtbare Geräusche produzieren konnten. Als wäre das nicht genug, schlug und trat er auch noch um sich. Sie packte seine Handgelenke und hielt sie fest, was mehr Kraft erforderte, als sie dachte. Anna Rebka saß auf dem Fahrersitz und hantierte unbeholfen mit dem Autoschlüssel. »Er hat einfach zu schreien begonnen – ich kann ihn nicht beruhigen«, jammerte sie.
    »Starten Sie das Auto!«
    »Ich hab’s versucht. Es geht nicht.«
    In diesem Moment erreichte sie der Sturm, brach ein Tosen über sie herein, das jedes Licht auslöschte und jedes Wort erstickte. Selbst Isaac wurde still. Diane spuckte einen Mundvoll Asche aus, dann gab sie den anderen Zeichen, sich in den Supermarkt zu flüchten.
    Hatte Anna Rebka sie verstanden? Und Sulean? Offenbar ja. Sulean, kaum mehr als ein schattenhafter Umriss, half ihr, den Jungen hochzuheben und ihn in den Laden zu tragen, während Anna Rebka, die Hand auf Dianes Schulter gelegt, ihnen folgte.
    Die Situation drinnen war nicht wesentlich besser. Das zerbrochene Oberlicht ließ Schwaden von Asche herein. Sie stellten Isaac auf die Beine, nahmen ihn in die Mitte und tasteten sich zum Lagerraum vor. Dort angekommen, schlossen sie die Tür hinter sich und warteten in völliger Finsternis, bis der Staub sich so weit legte, dass man wieder vernünftig atmen konnte. Diane dachte: Nach all den Jahren – war das der Ort, an dem sie sterben würde?

 
26
     
     
    Als der Sturm losbrach, war sofort klar, dass Isaac und die Frauen irgendwo gestrandet waren.
    Denn dies war kein lockerer Ascheregen mehr und auch kein astrophysikalisches Phänomen, das bis zum nächsten Morgen wieder beseitigt sein würde. Wäre etwas Derartiges in Port Magellan geschehen, hätte man die Stadt monatelang sperren müssen. Es war eine Katastrophe.
    Das Schlimmste war die Dunkelheit. Obwohl ihre Taschenlampen voll aufgeladen waren, erzeugten sie doch nur einen recht kläglichen Lichtkegel.
    Dvali bestand darauf, alle Stockwerke des Gebäudes zu durchkämmen, um sich davon zu überzeugen, dass die Fenster gut verschlossen waren – eine mühsame, unheimliche Aufgabe, eine ständige Erinnerung daran, wie allein und verlassen sie

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