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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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darüber sprechen: Im Kerzenlicht hatte Lise sich ausgezogen und Turk beim Ausziehen beobachtet, dann hatte sie die Kerze ausgemacht und ihn in der Dunkelheit aufgespürt. Er roch streng, so wie sie. Es spielte keine Rolle. Das hier war die Kommunikation, bei der sie immer brilliert hatten. Kurz fragte sie sich, ob das Quietschen der Bettfedern in den anderen Zimmern zu hören war. Vermutlich ja. Aber vielleicht war es ja gut für die Vierten, wenn sie es hörten. Vielleicht würde es ihnen etwas Energie verleihen.
    Irgendwann schlief Turk, den Arm über ihre Rippen gelegt, ein, und sie war zufrieden damit, ihn neben sich zu spüren. Sie selbst konnte nicht schlafen. Sie dachte daran, wie weit sie gekommen waren, und ihr fiel eine Zeile ein, die sie einmal in einem Buch gelesen hatte: Das dünne Ende des Nirgendwo, zu einer feinen Spitze abgeschliffen.
    Die Nacht war kalt. Sie schmiegte sich an Turk, suchte seine Wärme.
    Sie war noch immer wach, als das Gebäude zu zittern begann.
     
    Auch Diane Dupree lag wach in dem Zimmer, das sie mit Sulean Moi, Anna Rebka und Isaac teilte.
    Sie konzentrierte sich auf das Atmen des Jungen, dachte darüber nach, wie seltsam das Leben für ihn gewesen sein musste: ohne Mutter aufgewachsen, Anna Rebka konnte kaum als eine solche bezeichnet werden, und ohne Vater, es sei denn, man wertete Dvalis lauernde Präsenz als Ausübung der Vaterrolle, gleichgültig gegenüber jeder emotionalen Zuwendung. Ein schwieriges, eigensinniges Kind.
    Sie hatte Teile des am Abend geführten Gesprächs zwischen Dvali und Sulean Moi mitbekommen, und daraus hatten sich für sie einige unangenehme Fragen ergeben.
    Natürlich hatte die Marsianerin recht. Dvali war kein Wissenschaftler mehr, der die Hypothetischen mit etwas unkonventionellen Methoden studierte – er befand sich auf einer Pilgerreise. Und an deren Ende erwartete er etwas Heiliges zu finden, etwas Erlösendes.
    Die gleiche Sehnsucht hatte sie – vor vielen, vielen Jahren – einst an den Rand des Todes gebracht. Sie hatte sich in den Glauben ihres ersten Mannes wie in einen Mantel gewickelt, war mit ihm und einigen anderen in die Abgeschiedenheit geflohen und hatte sich dort mit einer Krankheit infiziert, an der sie beinahe gestorben wäre. Die Heilung von dieser Krankheit war zugleich ihr Übergang in den sogenannten Vierten-Zustand, dem Erwachsensein jenseits des Erwachsenseins.
    Damals hatte sie geglaubt, diese Sehnsucht hinter sich gelassen zu haben. So als wäre nach der Behandlung etwas Kühles, Rationales in ihr zum Vorschein gekommen und hätte die Regie übernommen. Keine Erstürmung des Himmels mehr, sondern ein ruhiges, nützliches Leben…
    Aber hatte sie sich womöglich darüber getäuscht? Wie viel hatte sie wirklich hinter sich gelassen, wie viel schleppte sie noch – unbewusst – mit sich herum? Als sich die Linien auf der Karte geschnitten hatten, Isaacs Linien, hatte Diane die Sehnsucht zum ersten Mal seit unzähligen Jahren wieder verspürt.
    Und erneut, als sie hörte, dass Isaac Zugang zu den Erinnerungen eines vor langer Zeit gestorbenen Marsjungen hatte, dem er nie begegnet war.
    Die Hypothetischen erinnerten sich an Esh.
    Woran erinnerten sie sich noch?
    Ihr Bruder Jason war bei dem Versuch gestorben, mit den Hypothetischen in Kontakt zu treten. Erinnerten sie sich daran? Konnten sie sich an Jason erinnern?
    Und wenn sie Isaac fragte, würde er mit Jasons Stimme sprechen?
    Beinahe schuldbewusst setzte sie sich auf, als das Gebäude zu zittern begann. Die Mauern des Himmels stürzen ein, dachte sie benommen.
     
    Als es Turk endlich gelang, die Kerze anzuzünden, hatte das Wackeln bereits wieder aufgehört. Die Frau an der Tankstelle hat recht gehabt, dachte er. Erdbeben!
    Er drehte sich zu Lise um. »Alles in Ordnung? Es ist nur ein leichtes Beben.«
    »Versprich mir, dass wir nicht anhalten.«
    Turk blinzelte. Im Kerzenlicht wirkte Lises Haut blass, gespenstisch. »Anhalten?«
    »Wenn sie dort sind, wo sie hinwollen – dann halten wir nicht an. Wir fahren weiter bis zur Westküste. Wie du gesagt hast.«
    »Natürlich. Worüber machst du dir Sorgen? Das war doch nur ein leichtes Beben. Du kommst aus Kalifornien, da musst du das doch öfter mal erlebt haben.«
    »Sie sind verrückt, Turk. Sie klingen rational, aber sie bereiten sich auf diese gigantische Feier ihres Wahnsinns vor. Und ich will nichts damit zu tun haben.«
    Turk ging zum Fenster – um sicherzustellen, dass nicht etwa die Sterne explodiert waren

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