Axis
erwähnte, bemerkte er es auch: ein mineralischer Geruch, leicht ätzend, ein bisschen schwefelig.
»Glaubst du, dass es gefährlich ist?«, fragte Tyrell, der hinter ihnen stand.
»Wenn ja, können wir ohnehin nichts dagegen tun.«
»Außer drinnen zu bleiben«, sagte Lise. Doch da hatte Turk seine Zweifel. Auch jetzt konnte er, durch die glitzernde Asche hindurch, Verkehr auf der Rue Madagascar ausmachen, Fußgänger, die über die Gehsteige huschten, die Köpfe mit Jacken, Taschentüchern oder Zeitungen bedeckt. »Es sei denn…«
»Es sei denn was?«
»Es sei denn, das hier geht noch lange weiter. Es gibt in Port Magellan keine Dächer, die dafür gemacht sind, ein großes Gewicht zu tragen.«
»Und es ist nicht nur Staub«, sagte Tyrell.
»Bitte?«
»Na ja, seht mal.« Der Chefkellner deutete zum Fenster.
So unglaublich, ja, so absurd es schien – draußen schwebte etwas von der Gestalt eines Seesterns vorbei. Es war grau, doch mit Lichtflecken besetzt. Es musste nahezu gewichtslos sein, denn es trieb wie ein Luftballon im schwachen Wind dahin, und als es auf den Terrassenboden traf, zerbröselte es.
Turk warf Lise einen Blick zu. Sie machte große Augen, zuckte mit den Achseln.
»Hol mir mal ein Tischtuch«, sagte Turk zu Tyrell.
»Was willst du denn mit einem Tischtuch?«
»Und eine von diesen Servietten.«
»Das ist Leinen, damit darfst du keinen Quatsch machen. Da ist die Geschäftsführung sehr streng.«
»Dann ruf mir den Geschäftsführer.«
»Mr. Darnell hat heute Abend frei. Schätze, ich bin im Moment Geschäftsführer.«
»Dann hol mir bitte ein Tischtuch, Tyrell. Ich will mir das näher ansehen.«
»Sau mir bloß den Laden hier nicht ein.«
»Ich pass schon auf.«
Tyrell deckte einen der Tische ab.
»Du willst nach draußen gehen?«, fragte Lise.
»Nur kurz etwas von dem Zeug einsammeln, das da runterkommt.«
»Was, wenn es giftig ist?«
»Dann sind wir alle am Arsch.« Als er sah, wie sie zusammenzuckte, fügte er hinzu: »Aber wenn es das wäre, wüssten wir es wohl inzwischen.«
»Was immer es ist, es kann nicht gut sein für deine Lungen.«
»Dann hilf mir mal, diese Serviette vors Gesicht zu binden.«
Neugierig sahen die verbliebenen Gäste und Kellner zu, machten aber keine Anstalten zu helfen. Turk trug das Tischtuch zur nächstgelegenen Glastür und gab Tyrell ein Zeichen, sie aufzuschieben. Augenblicklich verstärkte sich der Geruch – er erinnerte an nasse, angesengte Tierhaare –, Turk breitete eilig das Tischtuch auf dem Holzboden aus und zog sich gleich wieder zurück.
»Und jetzt?«, fragte Tyrell.
»Jetzt lassen wir es ein paar Minuten liegen.«
Turk setzte sich wieder zu Lise, und da es vorerst nichts weiter zu tun gab, sahen sie dem Staub beim Fallen zu. Lise fragte ihn, wie er nach Hause zu kommen gedachte. Er zuckte mit den Achseln. Er wohnte einige Kilometer vom Flugplatz entfernt an der Küste, in einer Behausung, die mehr oder weniger als Wohnwagen durchging. Inzwischen lag bereits gut ein Zentimeter hoch Asche auf den Straßen, und der Verkehr bewegte sich nur noch kriechend.
»Meine Wohnung ist nur ein paar Blocks von hier«, sagte sie. »Das neue Gebäude an der Rue Abbas, in der Nähe der Territorialbehörde. Das müsste einigermaßen stabil sein.«
Es war das erste Mal, dass sie ihn zu sich nach Hause einlud. Er nickte.
Doch er war nach wie vor auch neugierig. Er winkte Tyrell, der weiter Kaffee serviert hatte, und der Chefkellner schob erneut die Terrassentür auf. Turk ergriff den Rand des nun mit einer Ascheschicht belegten Tischtuchs und zog es vorsichtig, um keinerlei fragile Gebilde zu zerstören, die es aufgefangen haben mochte, nach drinnen. Tyrell schloss die Tür sofort wieder. »Uh! Das stinkt.«
Turk strich sich graue Ascheflocken vom Hemd und aus den Haaren. Dann setzte er sich auf den Boden, um die Ausbeute zu begutachten. Einige Gäste rückten ihre Stühle etwas näher heran, sie alle rümpften die Nasen angesichts des Geruchs.
»Hast du einen Bleistift oder Kugelschreiber?«, fragte Turk Lise.
Sie stöberte in ihrer Tasche und brachte einen Kugelschreiber zum Vorschein. Turk nahm ihn, um damit die auf dem Tischtuch angesammelte Staubschicht näher zu untersuchen.
»Was ist das?«, fragte Lise über seine Schulter hinweg. »Links von dir. Sieht aus wie, ich weiß nicht, eine Eichel …«
Turk hatte seit Jahren keine Eichel mehr gesehen; in Äquatoria wuchsen keine Eichen. Das Ding im Ascheniederschlag hatte ungefähr
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