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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Größe seines Daumens. Am einen Ende war es untertassenartig geformt, am anderen verjüngte es sich zu einer stumpfen Spitze – eine Eichel oder vielleicht auch ein winziges Ei mit Sombrero. Jedenfalls schien es aus dem gleichen Stoff zu bestehen wie die gefallene Asche. Als er es mit der Kugelschreiberspitze berührte, zerfiel es.
    »Und da drüben.« Jetzt zeigte Lise auf ein Gebilde, das dem Getriebe einer alten mechanischen Uhr ähnelte. Auch das fiel bei der kleinsten Berührung in sich zusammen.
    Tyrell ging in das Büro und kam mit einer Taschenlampe zurück. Er ließ den Lichtstrahl flach über das Tischtuch streichen, und nun zeigten sich eine ganze Reihe dieser Objekte – sofern man sie als »Objekte« bezeichnen konnte: die kaum noch zusammenhaltenden Überreste von Dingen, die irgendwann einmal »hergestellt« worden waren. Da waren eine Röhre von etwa einem Zentimeter Länge, vollkommen glatt, und eine weitere, ungefähr gleich groß, aber knubbelig wie das Rückgrat eines sehr kleinen Tieres, einer Maus zum Beispiel. Da waren ein sechsstacheliger Dorn; eine Scheibe mit winzigen Speichen, wie bei einem Fahrrad; ein abgeschrägter Ring. Aus einigen dieser Objekte glitzerte schwaches Restlicht.
    »Alles verbrannt«, sagte Lise.
    Verbrannt oder auf andere Weise zersetzt. Aber wie konnte etwas, das so vollständig eingeäschert war, auch nur halbwegs intakt bleiben, wenn es vom Himmel fiel? Woraus waren diese Dinge gemacht? In der Asche gab es noch ein paar leuchtende Flecken. Turk hielt seine Hand über einen davon.
    Lise berührte ihn am Arm. »Vorsichtig.«
    »Es ist nicht heiß. Nicht einmal warm.«
    »Könnte, was weiß ich, radioaktiv sein.«
    »Könnte.« Falls dem so war, hatten sie es mit einem weiteren Untergangsszenario zu tun. Alle, die sich draußen aufhielten, atmeten dieses Zeug ein. Alle, die sich drinnen aufhielten, würden es bald tun. Keines der Gebäude war luftdicht verschlossen, keines verfügte über eine Luftfilterung.
    »Und, bist du jetzt klüger?«, fragte Tyrell.
    Turk stand auf und klopfte sich die Hände ab. »Ja. Ich weiß jetzt, dass ich noch weniger weiß, als ich dachte.«
     
    Er nahm Lises Angebot an, vorübergehend bei ihr unterzukommen. Von Tyrell liehen sie sich Küchenkleidung aus, weiße Jacken, um ihre eigenen Sachen vor der herabfallenden Asche zu schützen, dann gingen sie, so schnell sie konnten, durch die grauen Dünen auf dem Parkplatz zu Lises Auto. Die Aschewolke verdunkelte den Himmel, verdeckte den Meteorschauer, trübte das Licht der Straßenlaternen.
    Lise fuhr ein chinesisches Fabrikat, kleiner als Turks Wagen, aber neuer und vermutlich zuverlässiger. Bevor sie einstiegen, schüttelten sie sich erst einmal kräftig ab.
    Sie nahmen die rückwärtige Ausfahrt des Parkplatzes und bogen auf eine schmale, wenig befahrene Straße, die die Rue Madagascar mit der Rue Abbas verband. Lise steuerte den Wagen behutsam durch die Staubansammlungen, und Turk ließ sie sich aufs Fahren konzentrieren. Erst als der Verkehr etwas stockte, sagte sie: »Denkst du, dass es etwas mit dem Meteorschauer zu tun hat?«
    »Es scheint mir mehr ein zufälliges Zusammentreffen zu sein. Aber wer weiß.«
    »Es ist definitiv keine Vulkanasche.«
    »Vermutlich nicht.«
    »Es könnte von außerhalb der Atmosphäre kommen.«
    »Möglich.«
    »Also könnte es etwas mit den Hypothetischen zu tun haben.«
    Während des Spins hatte man endlos über die Hypothetischen spekuliert, jene mysteriösen Wesenheiten, die die Erde ein paar Milliarden Jahre in die Zukunft geschleudert und einen Übergang zwischen Indischem Ozean und der Neuen Welt angelegt hatten. Ohne dass aus diesen Spekulationen, soweit Turk es beurteilen konnte, verlässliche Erkenntnisse entstanden waren.
    »Mein Vater hat früher viel über die Hypothetischen gesprochen. Unter anderem hat er mal gesagt, dass wir gern vergessen, wie viel älter als vor dem Spin das Universum jetzt ist. Es könnte sich auf eine Weise verändert haben, die wir überhaupt nicht begreifen. In den Büchern steht, dass Kometen und Meteore Abfall sind, der vom äußeren Rand des Sonnensystems zu uns kommt – hierher, auf die Erde oder sonstwo in der Galaxis. Aber das war zu keinem Zeitpunkt mehr als eine lokal begrenzte Beobachtung, zumal eine, die vier Milliarden Jahre alt, also vermutlich überholt ist. Es gibt die Theorie, wonach die Hypothetischen keine biologischen Organismen sind, niemals waren.« Lise bog um eine Ecke, wobei die Autoreifen

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