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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Wie haben Sie meinen Vater kennengelernt?«
    »Nun, die erste hilfreiche Person, der ich in Äquatoria begegnete, war Diane Dupree. Es gibt keine formelle Hierarchie unter den terrestrischen Vierten, aber in jeder Vierten-Gemeinschaft findet sich eine zentrale Figur, jemand, den man immer um Rat fragen kann. Im Küstengebiet war das Diane. Ich erzählte ihr, warum ich Dvali finden wollte, und sie nannte mir Namen von Leuten, die mir dabei nützlich sein konnten – darunter nicht nur Vierte. Dvali hatte sich mit Ihrem Vater angefreundet. Und ich tat es auch.«
    »Dvali sagt, mein Vater sei ein sehr vertrauenswürdiger Mensch gewesen.«
    »Ihr Vater besaß einen bemerkenswerten Glauben an das Gute im Menschen. Das gereichte ihm nicht immer zum Vorteil.«
    »Glauben Sie, dass Dvali ihn ausgenutzt hat?«
    »Ich glaube, Ihr Vater hat lange gebraucht, um Dvali als den Menschen zu erkennen, der er ist.«
    »Nämlich?«
    »Ein so ehrgeiziger wie unsicherer Mann. Und ein Mann mit äußerst anpassungsfähigem Gewissen. Ihr Vater hat sich sehr dagegen gesträubt, über Dvalis Vorhaben zu sprechen, selbst mir gegenüber.«
    »Aber dann hat er es doch getan?«
    »Als wir uns besser kennenlernten. Zuerst haben wir viel über Kosmologie diskutiert. Das war die Methode Ihres Vaters, sich ein Urteil über andere Menschen zu bilden. Man kann viel über jemanden erfahren, hat er gesagt, wenn man weiß, wie er die Sterne betrachtet.«
    »Wenn er Ihnen gesagt hat, was er wusste, warum konnten Sie Dvali dann nicht finden und ihn aufhalten?«
    »Weil er so klug war, seine Pläne zu ändern, nachdem er Port Magellan verlassen hatte. Ihr Vater glaubte, Dvali würde eine Siedlung an der äußersten Westküste gründen – heute noch weitgehend eine Wildnis, abgesehen von dem einen oder anderen Fischerdorf. Das war es, was er mir erzählt hat, und bestimmt hat er das so auch der Genomischen Sicherheit gesagt, als er verhört wurde.«
    »Dvali ist überzeugt, dass mein Vater sich geweigert hat, etwas zu verraten – deshalb hätten sie ihn getötet.«
    »Sicher hat er Widerstand geleistet, aber ich bezweifle, dass er das durchgehalten hat, nach allem, was man über die Befragungsmethoden weiß. Ihr Vater hat mir gesagt, was er wusste, weil er der Überzeugung war, dass man Dvali aufhalten muss, und weil er glaubte, dass ich eingreifen würde, ohne der Vierten-Gemeinde Gewalt anzutun. Wenn er das Gleiche der Genomischen Sicherheit gesagt hat, dann nur unter Zwang. Aber wie auch immer, es spielte keine Rolle. Dvali war nicht an der Westküste, von Anfang an nicht. Die Genomische Sicherheit hat seine Spur verloren, und als ich endlich herausfand, wo er tatsächlich hingegangen war, war es zu spät. Isaac war eine Tatsache – er konnte nicht wieder in den Mutterschoß zurückgeschickt werden.«
    Sie schwiegen. In der Stille konnte Lise das leise Knistern des Feuers hören.
    »Lise«, sagte Sulean dann nach einer Weile. »Ich habe meine Eltern verloren, als ich noch ein kleines Kind war. Diane hat Ihnen das bestimmt erzählt. Ich habe meine Eltern verloren, aber schlimmer noch, ich habe meine Erinnerung an sie verloren. Es ist, als hätten sie nie existiert.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ich bitte nicht um Mitgefühl. Was ich Ihnen sagen will, ist, dass ich mir irgendwann die Aufgabe gestellt habe, mich mit ihnen vertraut zu machen – zu erfahren, wer sie waren, warum sie an diesem Fluss lebten, wie es geschehen konnte, dass sie von dem Hochwasser überrascht wurden. Ich glaube, ich wollte wissen, ob ich sie lieben sollte für den Versuch, mich zu retten, oder ob ich sie hassen sollte für ihr Scheitern. Ich habe viel herausgefunden, darunter auch Schmerzhaftes, aber das einzig Wichtige, was ich erfahren habe, war, dass sie keine Schuld hatten. Ein sehr schwacher Trost, ich weiß, aber mehr gab es nicht, und in gewisser Weise genügte es auch. Ihr Vater hatte keine Schuld, Lise.«
    »Danke.«
    »Aber jetzt sollten wir versuchen zu schlafen – bevor die Sonne wieder aufgeht.«
     
    Lise schlief weitaus besser als in den vorangegangenen Nächten, obwohl sie in einem Schlafsack lag, auf unebenem Boden, in einem fremden Wald. Doch nicht die Sonne weckte sie, sondern Turks Hand auf ihrer Schulter. Es war noch dunkel, wie sie benommen registrierte. »Wir müssen los«, sagte er. »Mach schnell.«
    »Aber wieso?«
    »Es fällt wieder Asche in Port Magellan, noch mehr diesmal, und es wird nicht lange dauern, bis sie über die Berge kommt. Wir müssen

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