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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Universum. Alte, sehr alte Dinge lebten in seinem Innern. Dinge, die nicht auf das Hier und Jetzt achteten, sondern in Jahrtausende umfassenden Rhythmen horchten, sprachen, pulsierten.
    Er konnte ihre Stimmen hören. Einige waren ihm ganz nah. Näher als je zuvor.
     
    Das Ächzen überlasteter Balken und Bretter dauerte die ganze Nacht hindurch an – die Motelleitung ließ mehrere Male das Dach abschaufeln –, doch schließlich ließ der Ascheregen nach, und bis zum Sonnenaufgang war die Luft mehr oder weniger klar geworden. Obwohl sie unbedingt hatte wach bleiben wollen, war Lise eingeschlafen, zusammengerollt auf einer Schaumstoffmatratze, mit dem Gestank des Staubs in der Nase und Schweißperlen im Gesicht.
    Sie war die Letzte, die aufwachte. Als sie die Augen öffnete, sah sie, dass die anderen an den zwei Fenstern des Zimmers standen. Das hereinfallende Licht war weniger hell als an einem regnerischen Herbsttag, und doch war es mehr, als Lise erwartet hatte.
    Sie setzte sich auf. Sie trug die Sachen von gestern, und auf ihrer Haut klebte der Dreck von gestern. Turk hatte bemerkt, dass sie sich rührte, und reichte ihr eine Flasche Wasser, aus der sie gierig trank. »Wie spät ist es?«, fragte sie.
    »Etwa acht. Die Sonne ist schon vor einer ganzen Weile aufgegangen. Es fällt kein weiterer Staub mehr, aber es ist immer noch jede Menge Pulver in der Luft.«
    »Wie geht es Isaac?«
    »Immerhin schreit er nicht… Aber du solltest vielleicht mal einen Blick nach draußen werfen.«
    Anna Rebka entfernte sich vom Fenster, um sich um Isaac zu kümmern, und machte so einen Platz für Lise frei. Zögernd sah sie also nach draußen.
    Sah eine staubbedeckte Straße, dieselbe Straße, auf der sie gestern gekommen waren, ihr Auto bis an die Grenze der Belastbarkeit strapazierend. Es stand dort, wo sie es abgestellt hatten, mit Staubdünen auf der Windseite, so wie bei den schweren Lastern, die dahinter geparkt waren. Das Licht war trübe, körnig, doch immerhin konnte Lise bis zur Tankstelle sehen, die etwa hundert Meter entfernt war. Es waren keine Fußgänger auf der Straße, aber etliche Gesichter spähten aus den umliegenden Fenstern. Nichts rührte sich.
    Nein – das stimmte nicht ganz.
    Der Staub rührte sich.
    In der grauen Leere der Straße bildete sich vor ihren Augen eine Art Strudel. Eine Aschewolke von der Größe eines Tisches begann sich langsam im Uhrzeigersinn zu drehen.
    »Mein Gott, was ist das?«
    »Sehen Sie hin«, sagte Dvali.
    Turk legte ihr die Hand auf die linke Schulter. Sie griff danach. Die Asche drehte sich jetzt schneller, kräuselte sich im Zentrum des Wirbels. Lise gefiel nicht, was sie da sah. Es war unnatürlich, bedrohlich – oder vielleicht war es auch nur die Stimmung, die sie bei den anderen spürte: Sie wussten, was kommen würde, sie hatten das schon einmal gesehen…
    Plötzlich explodierte der Staub – wie ein Geysir. Eine Fontäne schoss gut drei Meter in die Höhe. Lise hielt die Luft an und wich unwillkürlich zurück.
    Der ausgestoßene Staub wurde vom Wind erfasst, verlor sich, und sie sah, dass der Geysir etwas zurückgelassen hatte – etwas Glänzendes.
    Es sah aus wie eine Blume. Eine rubinrote Blume, mit glattem Stängel und einer Struktur, die sie an die Haut eines Neugeborenen erinnerte.
    »Von allen, die wir bisher gesehen haben, ist die am dichtesten dran«, sagte Turk.
    Die Blume – Lise musste unvermittelt an die Sonnenblumen im Garten ihrer Mutter in Kalifornien denken, die etwa genauso groß waren, wenn sie sich aussäten – begann sich zu biegen und zu verdrehen, einer unhörbaren, unrhythmischen Melodie folgend.
    »Es gibt noch mehr davon?«, fragte sie.
    »Gab es.«
    »Was ist mit ihnen passiert?«
    »Warte ab.«
    Die Blume drehte den Kopf zum Motel hin, und Lise musste erneut nach Luft schnappen – denn in der Mitte der Blüte war etwas, das wie ein Auge aussah. Es war rund, glitzerte feucht und enthielt eine Art Pupille, schwarz wie ein Obsidian. Und einen schrecklichen Moment lang schien es sie direkt anzublicken.
    »War es so auch auf dem Mars?«, fragte Dvali Sulean Moi.
    »Der Mars ist etliche Lichtjahre entfernt. Die Dinge, die dort wuchsen, waren viel weniger aktiv, sahen ganz anders aus. Aber wenn Sie mich fragen, ob dies ein ähnliches Phänomen ist, dann muss ich sagen: ja, ist es.«
    Die Blume mit dem Auge hörte abrupt auf, sich zu bewegen. Das staubbedeckte Bustee lag still da, als würde es den Atem anhalten.
    Dann plötzlich begann sich

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