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Axis

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Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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wäre.«
    Er wurde ermordet. Das war von Anfang an die naheliegendste Erklärung gewesen. Robert Adams wurde ermordet, und die Männer, die dafür verantwortlich waren, würden nie vor Gericht gestellt werden. Doch innerhalb dieser Geschichte gab es noch eine andere Geschichte – die Geschichte seiner Neugier, seines Idealismus, seiner Überzeugungen.
    Dvali sah Lise mitfühlend an. »Ich weiß, dass Ihnen das keine große Hilfe ist. Tut mir leid.«
    Lise stand auf. Im Moment fühlte sie nichts anderes als die Kälte. »Darf ich Sie noch etwas fragen?«
    »Bitte.«
    »Wie lautet Ihre Rechtfertigung? Das Schicksal der Menschheit mal beiseite gelassen – wie rechtfertigen Sie sich dafür, dass Sie einem unschuldigen Kind wie Isaac das alles antun?«
    Dvali drehte seinen Becher um, goss den Rest des Kaffees aus. »Ein unschuldiges Kind war Isaac nie. Er war nie etwas anderes als das, was er jetzt ist. Und ich würde mit ihm tauschen, Miss Adams, wenn ich könnte. Liebend gern.«
     
    Sie ging zurück, trat in den Lichtkreis, in dem Turk saß und mit einem Taschenradio hantierte. Turk, ihr Avatar des Verschwindens. Turk, der sich schon aus so manchem Leben verabschiedet hatte. »Ist das Radio kaputt?«
    »Über die Aerostaten kommt nichts rein. Nichts aus Port Magellan. Das Letzte, was ich gehört habe, waren Berichte von einem neuen Beben im Westen.« Er sah sie an. »Alles in Ordnung?«
    »Bin nur müde.«
     
    Sie setzte noch eine Kanne Kaffee auf, trank, und nach einiger Zeit war – so wie sie gehofft hatte – niemand mehr wach außer ihr und Sulean Moi.
    Lise fürchtete sich ein wenig vor der Marsianerin, obwohl diese doch eigentlich wie die klassische alte Dame aussah, der man über die Straße half. Ihr Alter und die Entfernung, die sie zurückgelegt hatte, umgaben sie wie eine Art Aura, und es bedurfte einiger Überwindung, sich zu ihr ans glimmende Feuer zu setzen.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte Sulean.
    Lise sah die alte Frau verblüfft an. »Können Sie Gedanken lesen?«
    »Ich habe in Ihrem Gesicht gelesen.«
    »Eigentlich habe ich keine Angst.« Keine große jedenfalls.
    Sulean lächelte, zeigte ihre kleinen weißen Zähne. »Ich an Ihrer Stelle hätte Angst – wenn man bedenkt, was Sie über mich gehört haben müssen. Ich kenne die ganzen Geschichten, die man sich erzählt. Die mürrische alte Marsianerin, Opfer einer schweren Verletzung in der Kindheit.« Sie klopfte mit dem Finger gegen ihren Kopf. »Die vermutete moralische Autorität. Diese außergewöhnliche Lebensgeschichte.«
    »Und erkennen Sie sich in diesem Bild?«
    »Nein, aber ich erkenne die Karikatur. Sie haben viel Zeit und Mühe investiert, um mich zu finden, Miss Adams.«
    »Nennen Sie mich Lise.«
    »Also gut, Lise. Haben Sie das Foto noch?«
    »Nein.« Sie hatte es, auf Dianes Drängen, im Minang-Dorf weggeworfen.
    »Auch gut. Nun, da wären wir also. Niemand kann uns hören. Wir können reden.«
    »Als ich anfing, nach Ihnen zu suchen, hatte ich keine Ahnung…«
    »Dass mir das Unannehmlichkeiten bereiten würde? Dass ich dadurch ins Visier der Genomischen Sicherheit geraten würde? Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie wussten, was Sie wussten, und was Sie nicht wussten, konnte wohl kaum in ihre Überlegungen mit einfließen. Aber Sie wollen mich nach Robert Adams fragen – wie und warum er gestorben ist.«
    »Sind Sie sicher, dass er tot ist?«
    »Ich war nicht dabei, aber ich habe mit Leuten gesprochen, die Zeuge seiner Entführung waren, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es anders ausgegangen ist. Wäre er in der Lage gewesen, nach Hause zurückzukommen, hätte er das getan. Es tut mir leid.«
    »Es ist also wahr, dass er von der Genomischen Sicherheit entführt wurde?«
    »Von einem ihrer sogenannten Executive Action Committees.«
    »Und sie waren auf der Suche nach Dr. Dvali und seiner Gruppe.«
    »Ja.«
    »Genau wie Sie.«
    »Stimmt. Nur aus etwas anderen Gründen.«
    »Sie wollten ihn davon abhalten, Isaac zu erschaffen.«
    »Ich wollte ihn davon abhalten, ein grausames und vermutlich nutzloses Experiment durchzuführen – ja.«
    »Aber ist das nicht das Gleiche, was auch die Genomische Sicherheit will?«
    »Nur in ihren offiziellen Verlautbarungen. Und glauben Sie mir, wenn sie die Mittel dazu hätten, würden sie geheime Labors mit ganzen Scharen von Isaacs unterhalten – an Maschinen angeschlossen, unter ständiger Bewachung.«
    Lise rieb sich die Augen. Das alles war sehr verwirrend.

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