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Axis

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Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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die sie eigentlich erörtern sollten. Weil sie nämlich dieses Zimmer früher oder später verlassen mussten. Weil sie hier nur sehr wenig Lebensmittel hatten.
    Er lieh sich das Radio von Dvali und steckte sich die Kopfhörer ins Ohr, um die Vierten auszublenden, einmal andere Stimmen zu hören. Was er reinbekam, war eine Schmalbandangelegenheit aus Port Magellan, ein lokales Medienkollektiv verlas Empfehlungen der UN und aktualisierte Berichte. Der zweite Ascheregen war offenbar nur wenig schlimmer gewesen als der erste. Im Süden der Stadt waren einige Dächer eingestürzt, die meisten Straßen waren derzeit nicht passierbar, Menschen mit Atembeschwerden ging es nicht gut, und auch Gesunde spuckten graue Rückstände – doch das war es nicht, was den Leuten Angst machte. Was ihnen Angst machte, waren die merkwürdigen Dinge, die aus der Asche sprossen. Die Radiosprecher bezeichneten sie als »Gewächse« und berichteten, dass sie überall in der Stadt aufgetaucht seien, vor allem dort, wo die Asche besonders tief war, wo sie Verwehungen gebildet hatte. Obwohl sie nur kurze Zeit lebten und von ihrer Umgebung rasch »absorbiert« wurden, waren einige von ihnen – »Bäumen oder riesigen Pilzen ähnlich« – zu eindrucksvoller Höhe emporgeschossen.
    Das Ganze hatte etwas Traumartiges – oder Albtraumartiges. Ein »riesiger rosafarbener Zylinder« blockierte eine Kreuzung in der Innenstadt. »Etwas, das Zeugen als gewaltige, stachelige Blase beschreiben, wie eine Koralle«, war aus dem Dach eines chinesischen Restaurants gesprossen. Berichte über kleine bewegliche Formen harrten noch ihrer Bestätigung.
    So erschreckend all dies klang, waren die Erscheinungen doch nur dann gefährlich, wenn man sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt – wenn sie etwa auf einen drauffielen. Dennoch wurde allen Bürgern geraten, zu Hause zu bleiben und die Fenster geschlossen zu halten. Der Ascheregen hatte aufgehört, die Reinigungstrupps machten sich bereit, die Straßen zu reinigen.
    Port Magellan würde sich bald wieder erholen, doch die Stadt lag auf der anderen Seite einer Gebirgskette mit gegenwärtig nicht befahrbaren Pässen. Wie alle anderen Durchfahrtsorte war auch Bustee auf die Küste angewiesen. Wie lange würde es dauern, bis die Pässe geräumt waren? Ein paar Wochen mindestens, vermutete Turk. Also würden die Nahrungsmittel knapp werden. Und was war mit dem Wasser? Wie wurden diese Wüstenansiedlungen versorgt? Man drehte den Hahn auf, aber wo war das Reservoir? War das Wasser noch trinkbar?
    Zumindest hatten sie Proviant und einige Wasserflaschen im Auto, das würde für eine Weile reichen. Was Turk allerdings nicht gefiel, war, dass das Auto weit genug weg stand, dass jemand versucht sein könnte, es aufzubrechen und sich das alles unter den Nagel zu reißen. Das allerdings war ein Problem, dem er sich stellen konnte. »Ich gehe nach draußen«, sagte er.
    Die anderen wandten sich ihm mit großen Augen zu. »Was soll das heißen?«, fragte Dvali.
    Turk erläuterte seine Sorge. »Auch wenn sonst keiner hungrig ist, ich bin es.«
    »Es ist womöglich nicht sicher.«
    Turk hatte andere Leute auf der Straße gesehen, mit vor den Mund gebundenen Taschentüchern. Einer davon war keine fünf Meter von einem »Gewächs« entfernt gewesen, als dieses aus dem Staub hervorspross, aber es hatte den Mann in Ruhe gelassen. Das bestätigte, was das Radio aus Port Magellan berichtete. »Nur zum Auto und wieder zurück. Ich möchte aber, dass jemand in der Tür steht und aufpasst. Und ich brauche etwas, das ich als Mundschutz verwenden kann.«
    Es gab keine weitere Diskussion. Dvali benutzte ein Taschenmesser, um ein Stück vom Bettlaken abzuschneiden, das sich Turk dann um Nase und Mund band. Anna Rebka gab ihm den Autoschlüssel, während Lise sich bereit erklärte, an der Tür Wache zu stehen.
    »Bleib nicht länger draußen, als du musst«, sagte sie.
    »Keine Sorge.«
     
    Die Asche hatte der Luft einen sauren, schwefeligen Geruch verliehen. Was mochte das für die Lungen der Menschen bedeuten, überlegte Turk. Wenn der Staub fremdartige Sporen enthielt – und das schien ja nahezuliegen –, würden diese dann im feuchten Innern des menschlichen Körpers Wurzeln schlagen? Andererseits schienen sie nicht allzu viel Feuchtigkeit zu benötigen, wenn sie auf der gepflasterten Straße einer Wüstenstadt wuchsen. Zumindest hatte es keine Berichte über irgendwelche Todesfälle gegeben… Turk schüttelte diese Gedanken

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