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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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das bin ich. Jetzt, Leo, weißt du die Wahrheit. Verstoße mich für immer und ewig, wenn du es willst, oder nimm mich, nimm mich an dein Herz, und nimm mit meiner Liebe auch meine Sünden auf dich! Nein, Holly, schweig, jetzt muß er allein entscheiden.«
    Leo wandte sich um, als ob er zur Tür gehen wollte, wie es mir schien. Doch er tat es nicht, er schritt nur eine Weile im Raum auf und ab. Dann trat er vor Ayesha hin und sprach mit sehr ruhiger Stimme, wie es Männer seiner Art oft tun, wenn sie stark bewegt sind.
    »Ayesha«, sagte er, »als ich dich sah, wie du warst, vom Alter ausgezehrt und ... du weißt, wie du aussahst, habe ich zu dir gehalten. Jetzt, wo du mir das Geheimnis deines unheiligen Pakts verraten hast, nachdem ich mit eigenen Augen gesehen habe, wie du als Herrin über Geister – mögen sie gut oder böse sein – regiertest, halte ich zu dir. Laß deine Sünde, sei sie groß oder klein, auch meine Sünde sein. Ich fühle, wie ihr Gewicht sich in meine Seele senkt und Teil von mir wird, und wenngleich ich nicht die Gabe der Vision oder der Prophezeiung habe, bin ich doch sicher, daß ich meiner Strafe dafür nicht entgehen werde. Obwohl ich unschuldig bin, laß mich deine Sünde tragen helfen, um deinetwillen!«
    Ayesha hörte seine Worte, das Tuch glitt von ihrem Gesicht, und eine Weile stand sie schweigend. Dann brach sie in leidenschaftliches Schluchzen aus. Sie sank vor Leo auf die Knie, umklammerte seine Beine und beugte sich vor, bis ihre Stirn den Boden berührte. Ja, diese stolze Gestalt, die mehr als sterblich war, deren Nase eben den Weihrauch der Huldigungen von Geistern eingesogen hatte, lag vor diesem Menschen auf dem Boden.
    Mit einem erschrockenen Schrei sprang Leo zur Seite, dann bückte er sich, half ihr auf die Beine und führte die noch immer Schluchzende zur Couch.
    »Du weißt nicht, was du mir eben gegeben hast«, sagte Ayesha schließlich. »Laß alles, was du auf dem Gipfel des Berges oder im Tempel gesehen hast, nur Visionen der Nacht sein! Laß die Geschichte von einer gekränkten Göttin eine Parabel sein, eine Fabel, wenn du willst! Dieses zumindest ist wahr: daß ich vor langer, langer Zeit um deinetwillen gesündigt habe, und gegen dich gesündigt habe, und gegen eine andere; daß ich vor langer, langer Zeit Schönheit und ewiges Leben gekauft habe, um dich zu gewinnen, um einen Preis, den nur wenige zu zahlen wagen würden; daß ich hohe Zinsen für diese Schuld gezahlt habe, in Spott, Hohn, völliger Einsamkeit und täglicher Pein, die ich kaum ertragen konnte, bis endlich die Schuld beglichen war.
    Ja, du und nur du allein standest zwischen mir und der vollständigen Bezahlung dieser entsetzlichen Schuld – denn wisse, daß uns die Gnade gegeben wurde, einander zu erlösen.«
    Leo wollte etwas sagen, doch mit einer Handbewegung befahl sie ihm zu schweigen und fuhr fort:
    »Sieh, Leo, auf deiner Reise zu mir hat dein Körper drei tödliche Gefahren überstanden: die Berge, die Schlucht, und die Hunde des Todes. Wisse, daß diese nur Vorboten der letzten, dreifachen Prüfung deiner Seele waren. Den Nachstellungen von Atenes Leidenschaft, die uns beide vernichtet haben würden, bist du siegreich entronnen. Du hast die Einsamkeit von Wüsten, Schnee und Gebirgen durchlitten, in der Hoffnung auf einen Trost, den du nie bekamst. Selbst als die Lawine auf dich herabdonnerte, war dein Glaube so unerschütterlich wie oben über dem Vulkan, wo nach bitteren Jahren des Hoffens und Zweifelns der Anblick des Entsetzens dich in tiefste Verzweiflung stürzte. So wie du den Gletscher hinabstiegst, nicht wissend, was dir auf diesem gefährlichen Weg begegnen würde, so bist du jetzt, allein aus Liebe zu mir und aus freiem Willen, kopfüber in einen Abgrund gesprungen, der noch weitaus tiefer ist, um seinen Schrecken mit meinem Geist zu teilen. Verstehst du das jetzt?«
    »Einiges, nicht alles, glaube ich«, antwortete Leo langsam.
    »Hättest du gestern dem Verlangen der Natur nachgegeben und mich zurückgewiesen, wäre ich vielleicht dazu verdammt gewesen, für eine Ewigkeit in dieser furchtbaren Gestalt zu leben und die klägliche Rolle einer Priesterin einer vergessenen Religion zu spielen. Dies war die erste Prüfung: die Versuchung des Fleisches – nein, nicht die erste, die zweite –, denn Atene und ihre Reize waren die erste. Doch du hast mir die Treue gehalten, und durch die Magie deiner unerschütterlichen Liebe sind meine Schönheit und meine Weiblichkeit

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