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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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menschlichen Standpunkt aus gesehen, als unsterblich bezeichnen konnte. Trotz einiger Beschränkungen – so ihrer absoluten Unfähigkeit, die Zukunft voraussehen zu können – besaß sie auch Kräfte, die nur übernatürlich sein konnten.
    Ihre Herrschaft über die eigenartige Gemeinde, in der sie lebte, war absolut; ihre Mitglieder betrachteten sie sogar als Göttin, und als Göttin wurde sie verehrt und angebetet. Nach unglaublichen Abenteuern hatte der Mann, der die Essenz ihres Leben war, dessen Leben auf so mysteriöse Weise mit dem ihren verknüpft war, und den sie mit der größten Leidenschaft, derer eine Frau fähig ist, liebte, sie in diesem verstecken Winkel der Welt gefunden.
    Mehr noch: dreimal hatte er seine unwandelbare Treue zu ihr unter Beweis gestellt. Zuerst durch die Zurückweisung der schönen und königlichen, wenn auch undisziplinierten Atene. Zweitens, indem er zu Ayesha hielt, als sie auf jede denkbare Weise abstoßend wirkte. Drittens, nach der unheimlichen Huldigungsszene im Tempel – obwohl dies angesichts ihrer überwältigenden Schönheit nicht so wunderbar war – durch Standhaftigkeit bei ihrem furchtbaren Geständnis, ob es nun wahr war oder nicht, daß sie ihre überirdischen Gaben und auch ihn durch einen nicht näher beschriebenen, unheiligen Pakt mit den Mächten des Bösen errungen habe, dessen unbekannte Konsequenzen er mit ihr tragen müsse.
    Und doch war Ayesha unglücklich. Selbst wenn sie nach außen hin fröhlich wirkte, wußte ich doch, daß die Skelette an der Festtafel, von denen sie gesprochen hatte, ihre ständigen Gefährten waren. Wenn ich mit ihr allein war, bestätigte sie mir diese Vermutung durch dunkle Andeutungen und verschleierte Allegorien. Obwohl sie ihre Rivalin Khania Atene geschlagen zu haben schien, war sie doch nach wie vor eifersüchtig auf sie.
    Hatte sie Angst vor ihr, richtiger gesagt. Irgendein Instinkt schien sie zu warnen, daß früher oder später die Stunde Atenes kommen würde, und daß dann sie an der Reihe war, den bitteren Wein der Verzweiflung zu trinken.
    Was sie jedoch noch tausendfach mehr bedrückte, waren ihre Sorgen um Leo. Man wird verstehen, daß ein Mann, der in einer so engen Beziehung zu dieser halb göttlichen, unnatürlich schönen Frau stand, und dennoch nicht einmal ihre Lippen berühren durfte, unter diesem Zustand litt. Leo litt physisch und psychisch, besonders, da er wußte, daß diese Mauer in frühestens zwei Jahren niedergerissen werden würde. Kein Wunder, daß er den Appetit verlor, bleich und mager wurde und kaum schlafen konnte. Kein Wunder auch, daß er sie immer wieder anflehte, das selbstgeschaffene Dekret aufzuheben und ihn sofort zu heiraten.
    Doch in diesem Punkt war Ayesha unnachgiebig. Von Leo dazu gedrängt – und auch von meiner eigenen Neugier, wie ich zugeben muß –, fragte ich sie einmal, als wir allein waren, nach dem Grund für dieses selbstverleugnerische Tabu. Doch sie wollte mir nicht mehr dazu sagen, als daß sich zwischen ihnen die Barriere von Leos Sterblichkeit erhebe, und daß sie ihn erst zum Ehemann nehmen könne, wenn seine Physis mit den Kräften der geheimnisvollen Essenz des Lebens gegen den Tod imprägniert worden war.
    Ich fragte sie, warum sie so auf diesem Aufschub bestünde, da sie schließlich trotz allem eine Frau sei worauf sie mir mit einem ruhigen, doch grausig wirkenden Lächeln sagte: »Bist du dir dessen ganz sicher, mein lieber Holly? Sag, besitzen irdische Frauen so ein Juwel, wie ich es auf der Stirn trage?« Und sie deutete auf das matte, doch deutlich sichtbare Leuchten oberhalb ihrer Brauen.
    Dann begann sie ihr langes, dichtes Haar zu streichen, ihren Busen und ihren Körper. Und alles, was ihre Finger berührten, begann mystisch zu leuchten, bis sie in dem fast dunklen Raum – es war zur Stunde der Abenddämmerung – von Kopf bis Fuß zu glühen schien wie die Wasser einer phosphoreszierenden See, ein wunderbarer und doch schauriger Anblick. Dann hob sie die Hand, und das Glühen erlosch, bis auf das matte Leuchten ihrer Stirn.
    »Bist du dir dessen ganz sicher, mein lieber Holly?« wiederholte Ayesha. »Nein, du brauchst nicht zurückzuweichen, die Flamme verbrennt dich nicht. Vielleicht hast du dir nur eingebildet, sie zu sehen, so wie du dir vieles einbildest, wie ich bemerkt habe; denn sicher kann sich keine Frau in Licht kleiden, und nicht eine Spur von Brandgeruch haftet in meinen Kleidern.«
    Nun hatte meine Geduld ihre Grenzen erreicht, und ich

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