Ayesha - Sie kehrt zurück
stärkeren Armee auf der Ebene von Kaloon.«
»Und das nennst du schlimme Nachrichten?« sagte Ayesha spöttisch. »Hat der Haß dieser Frau den Verstand genommen, daß sie es wagt, sich gegen mich zu stellen? Mein lieber Holly, ich weiß, daß du gedacht hast, ich sei verrückt, da ich von Plänen sprach, die ich deiner Meinung nach nicht durchführen kann. Nun, innerhalb von sechs Tagen sollst du sehen – wahrlich, mit eigenen Augen sollst du es sehen! – welche Macht ich besitze, und obwohl diese Angelegenheit es nicht wert ist, will ich sie dir beweisen, damit du nie wieder zweifelst. Bleib, ich will selbst sehen, was geschieht, obwohl die Anstrengung mich ermüdet, doch diese Späher könnten Opfer ihrer eigenen Angst geworden sein – oder der Listen Atenes.«
Plötzlich wurde ihr Gesicht starr wie das eines Menschen in tiefer Trance, wie immer, wenn sie den Blick ihrer Seele in weite Fernen richtete, oder vielleicht auch, weil es sie sehr anstrengte, wie sie eben gesagt hatte. Das Leuchten auf ihrer Stirn erlosch, die Pupillen ihrer Augen zogen sich zusammen.
Nach einer Weile – es mochten etwa fünf Minuten vergangen sein – seufzte sie, als ob sie aus einem tiefen Schlaf erwache, fuhr mit der Hand über die Stirn und war wieder wie sonst, nur etwas erschöpft, als ob sie ihre Kräfte aufgebraucht hätte.
»Es stimmt«, sagte sie, »und ich muß bald etwas unternehmen, da sonst viele meiner Menschen getötet werden. Mein Lord Leo, willst du diesen Krieg sehen? Nein, du sollst hier, in Sicherheit, bleiben, während ich hinausreite, um Atene zu besuchen, wie ich es ihr versprochen habe.«
»Wo du hingehst, da gehe auch ich hin«, sagte Leo ärgerlich, und sein Gesicht lief rot an.
»Ich flehe dich an, hierzubleiben!« sagte Ayesha, wagte jedoch nicht, es ihm zu befehlen. »Wir werden später darüber sprechen. Oros! Schick das Feuer der Hes zu allen Häuptlingen! Befehle ihnen, daß sich die Stämme in der dritten Nacht von heute bei Mondaufgang versammeln sollen! Nein, nicht alle, zwanzigtausend Mann sind mehr als genug, die anderen sollen den Berg und den Tempel bewachen! Sie sollen Nahrung für fünfzehn Tage mitbringen. Geh!«
Oros verbeugte sich und ging. Damit war die Angelegenheit für Ayesha erledigt, und sie begann mich wieder über die Chinesen zu befragen.
Es war im Verlauf einer ähnlichen Unterhaltung am folgenden Abend, deren Details mir jedoch entfallen sind, daß eine Bemerkung Leos zu einer weiteren Demonstration von Ayeshas wundersamen Kräften führte.
Leo – der wieder nach besten Kräften gegen ihre Pläne zur Eroberung der Welt argumentierte, da sie mit seinen religiösen, sozialen und politischen Überzeugungen nicht zu vereinbaren waren – sagte schließlich, daß sie sich allein deshalb nicht in die Tat umsetzen lassen würden, da sie solche enormen Geldsummen erforderten, wie sie selbst Ayesha nicht durch alle bekannten Formen von Besteuerung aufbringen könne.
Sie sah ihn an und lachte ein wenig. »Wirklich, Leo«, sagte sie, »du – ja, und auch Holly – hältst mich anscheinend für ein kleines Mädchen, das von seinen wilden Phantasien hin und her gerissen wird und sich Schlösser aus Wolken und Tau baut, oder aus dem Rauch der Feuer. Glaubst du allen Ernstes, daß ich so einen Krieg beginnen würde – eine Frau allein gegen die ganze Welt ...« – als sie diese Worte sprach, richtete sie sich auf, und in ihre Augen trat ein Ausdruck, der mir das Blut in den Adern gerinnen ließ –, »ohne die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen? Seit wir zum letzten Mal über diese Angelegenheit gesprochen haben, habe ich, alles voraussehend, unter vielen anderen auch diese Frage erwogen, und du sollst jetzt sehen, wie wir, ohne die Völker, über die wir herrschen, auszuplündern – und allein dafür werden sie uns lieben und verehren –, die Schatzkammern der Herrscherin der Erde bis zum Rand füllen werden.
Erinnerst du dich daran, Leo, daß ich in Kôr, während all jener unendlichen Jahrhunderte, nur ein Vergnügen kannte: meine Mutter Natur dazu zu zwingen, mir ihre größten und kostbarsten Geheimnisse zu verraten? Ich bin eine Wissende über alle Dinge, die sind, und über alle Kräfte, die sie zum Sein gebracht haben. Folgt mir jetzt beide, damit ihr etwas seht, das die Augen von Sterblichen noch nie gesehen haben!«
»Und was ist das?« fragte ich mißtrauisch, da ich mich noch sehr gut an Ayeshas chemische Zaubereien erinnerte.
»Das wirst du
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