Ayesha - Sie kehrt zurück
wie sich das erste Erscheinen Ayeshas in China gestalten würde – einige dieser Bilder waren absurd, andere komisch –, daß ich diese Randerscheinung unserer zukünftigen Herrschaft darüber völlig vergaß.
»Und wenn ›die kleinen Nationen des Westens‹ nicht abwarten, bis sie überrannt werden?« fragte Leo irritiert, von ihrem verächtlichen Tonfall verärgert, »wenn sie, zum Beispiel, sich vereinen und dich zuerst angreifen?«
»Ach!« sagte sie, und ihre Augen begannen zu funkeln. »Daran habe ich natürlich ebenfalls gedacht, und ich, für meinen Teil, hoffe, daß sie es tun werden, denn in dem Fall kannst du mir keine Vorwürfe machen, wenn ich sie meine Macht spüren lasse. Oh! Dann wird der Osten, der so lange geschlafen hat endlich erwachen – soll erwachen, und auf einem Schlachtfeld nach dem anderen, in Kriegen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, wirst du meine Standarte von einem Sieg zum anderen flattern sehen. Ein Nation nach der anderen wird fallen und zerbrechen, bis ich schließlich deinen Thron auf den Hekatomben ihrer Toten errichten und dich zum Imperator einer Welt krönen werde, die in Blut und Feuer regeneriert wurde.«
Leo, den diese neue Botschaft der Regeneration sichtlich abzustoßen schien, der im Grund seines Herzens absolute Monarchien haßte und republikanische Ansichten hatte, setzte die Argumentation fort, doch ich hörte ihr nicht mehr zu. Diese Sache war grotesk in ihrer gigantischen, phantastischen Absurdität; Ayeshas Ambitionen waren die einer größenwahnsinnigen Irren.
Und doch – das war der Unterschied – hatte ich nicht den geringsten Zweifel, daß sie in der Lage war, sie in die Tat umzusetzen. Warum nicht? Der Tod konnte ihr nichts anhaben; sie hatte ihn besiegt. Ihre Schönheit und ihr stahlharter Wille würden Millionen von Männern dazu bringen, ihr bedingungslos zu folgen. Ihre überragende Intelligenz versetzte sie in die Lage, neue Waffen zu erfinden, gegen die selbst die stärksten Armeen der Welt machtlos waren. Es mochte tatsächlich so sein, wie sie es behauptet hatte, wie ich es glaubte, und wie es sich später auch als richtig herausstellte: daß sie Herrin über die Elementarkräfte der Natur war, wie die der Elektrizität, wodurch alle Menschen ihr ausgeliefert waren.
Ayesha war Frau genug, um weltliche Ambitionen zu haben, und das Entsetzlichste an ihren übermenschlichen Kräften war, daß sie nicht durch irgendein Verantwortungsgefühl gegenüber Gott oder den Menschen gezügelt wurden. Sie war, wie wir uns sehr wohl vorstellen können, ein gefallener Engel. Nur durch zweierlei konnte sie, soweit ich es feststellte, zu menschlichen Gefühlen bewegt werden: durch ihre Liebe zu Leo, und, weitaus weniger, natürlich, durch ihre Freundschaft zu mir.
Doch ihre verzehrende Leidenschaft für diesen einen Mann, unerklärlich in ihrer Dauerhaftigkeit und Intensität, würde sich, dessen war ich völlig sicher, in der Zukunft, wie schon in der Vergangenheit, als ihre Achillesferse erweisen. Als Ayesha in die Wasser der Unsterblichkeit tauchte, ließ diese Liebe ihr Herz sterblich bleiben, damit sie durch ihre Gefühle gelenkt und zu einem harmlosen Kind gemacht werden konnte, die sonst das ganze Universum zerstört haben würde.
Und ich sollte recht behalten.
Während ich so meinen Gedanken nachging und hoffte, daß Ayesha sich nicht die Mühe machen würde, sie zu lesen, wurde ich gewahr, daß Oros auf sie zutrat und sich tief vor ihr verneigte.
»Was ist dein Anliegen, Priester?« fragte sie ungehalten, denn wenn sie mit Leo beisammen war, mochte sie nicht gestört werden.
»Die Späher sind zurückgekehrt, Hes.«
»Warum hast du Späher ausgeschickt?« fragte sie gleichgültig. »Wozu brauche ich Späher?«
»Hes, du hast es mir befohlen.«
»Nun gut! Was berichten sie?«
»Sie haben schlimme Nachrichten mitgebracht. Das Volk von Kaloon ist verzweifelt, weil durch die Trockenheit die Ernte sehr dürftig ausgefallen ist und die Menschen nun vom Hungertod bedroht werden. Und sie lasten dies den Fremden an, die in ihr Land gekommen und zu dir geflohen sind. Die Khania Atene ist ebenfalls voller Wut auf dich und auf unseren Tempel. In unermüdlicher Arbeit hat sie zwei Armeen aufgestellt, eine von vierzigtausend, die andere von zwanzigtausend Mann, und die letztere hat sie unter dem Kommando des Schamanen, ihres Onkel Simbri, gegen den Berg geschickt. Für den Fall, daß sie geschlagen werden sollte, wartet sie mit der zweiten,
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