Ayesha - Sie kehrt zurück
Alchimie
Es war kurz nach diesem Zwischenfall mit dem Schneeleoparden, daß einer von Ayeshas Dämonen, ihr unbezwingbarer Ehrgeiz, sich zeigte. Nach dem Abendessen sprach sie, wie fast jeden Tag, über ihre Pläne für eine unendliche Zukunft, die sie mit uns teilen wollte.
An dieser Stelle sollte ich erklären, falls ich es nicht bereits getan habe, daß Ayesha mir, trotz meiner Zurückweisung dieser unschätzbaren Gelegenheit in zurückliegenden Jahren, ebenfalls gestatten wollte, meinen Leib in der Essenz des Lebens zu baden; doch konnte sie mir nicht sagen, in welcher Gestalt ich sie verlassen würde, und wenn sie es wußte, so hielt sie sich nicht für berechtigt, es mir zu sagen.
Insgeheim hoffte ich, daß eine Veränderung zu meinen Gunsten stattfinden würde, denn die Aussicht, für ewig in meiner derzeitigen, nicht gerade attraktiven Gestalt leben zu müssen, erschien mir alles andere als verlockend. Doch im Grunde genommen hatte die Sache für mich lediglich ein akademisches, und kein praktisches Interesse, wie etwa bei einem Märchen, da ich nicht daran glaubte, jemals diese Art von Unsterblichkeit zu erlangen. Und wie ich hinzufügen möchte, ich war damals, genau wie heute, nicht davon überzeugt, daß ich sie überhaupt erlangen wollte.
Ayeshas Pläne waren weitreichend und in der Tat grandios. Ihre Kenntnisse von der modernen Welt, ihrer politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, waren sehr begrenzt; falls sie die Fähigkeit besitzen sollte, auch diesen Ereignissen zu folgen, so schien sie jedenfalls keinen Gebrauch von ihr zu machen. Ihre Kenntnisse waren praktisch auf die Tatsache beschränkt, die sie von uns während der kurzen Gespräche über dieses Thema in Kôr erfahren hatte, vor nunmehr fast zwanzig Jahren. Jetzt schien ihr Informationshunger unersättlich, und wir waren, zugegebenermaßen, alles andere als gute Wissensquellen zu diesem Thema, da wir seit fünfzehn Jahren jeden Kontakt mit der zivilisierten Welt verloren und genauso abgeschnitten gelebt hatten wie sie.
Doch immerhin waren wir in der Lage, ihr den Zustand der Nationen zu beschreiben, wie er zu dem Zeitpunkt gewesen war, als wir diese Welt verlassen hatten, und zeichneten für Ayesha auch Landkarten, auf denen die einzelnen Länder und ihre Grenzen einigermaßen richtig eingetragen waren, und die sie lange und eingehend studierte.
Die Chinesen waren das Volk das sie am meisten interessierte, vielleicht, weil sie mit der mongolischen Rasse vertraut war und, genau wie wir, einige ihrer Dialekte verstand. Dieses gründliche Studium hatte einen sehr handfesten Grund, den sie uns eines Abends mit sehr sachlichen, nüchternen Worten mitteilte.
Leser, die mit dem ersten Teil dieser Geschichte vertraut sind, den ich in England zurückgelassen hatte, damit er veröffentlicht würde, werden sich erinnern, daß Sie, die wir in den Höhlen von Kôr gefunden hatten, uns durch die Mitteilung schockierte, sich Großbritannien aneignen zu wollen, und lediglich deshalb, weil wir zu diesem Land gehörten. Jetzt aber waren mit ihrer Macht auch ihre Vorhaben gewachsen, denn sie verkündete allen Ernstes ihre Absicht, Leo zum absoluten Herrscher der Welt zu machen. Vergeblich versuchte er ihr klarzumachen, daß ihm an so einem globalen Imperium überhaupt nicht gelegen sei.
Sie lachte ihn nur an und sagte: »Wenn ich unter den Menschen erscheine, muß ich auch über die Menschen herrschen, denn wie kann Ayesha unter Sterblichen den zweiten Platz einnehmen? Und du, mein Leo, herrschest über mich, ja, merke es dir, denn es ist die Wahrheit: du bist mein Herr! Deshalb ist es unumgänglich, daß du der Herr dieser Erde sein wirst, ja, und vielleicht auch Herr über andere, die sich jetzt noch nicht zeigen wollen, denn von diesen weiß ich auch einiges und glaube, mit ihnen in Verbindung kommen zu können, wenn ich es will. Mein wirkliches Leben hat noch nicht einmal begonnen. Seine kurze Zeitspanne auf dieser Welt war mit Gedanken und Sorgen um dich angefüllt, mit dem Warten auf deine Wiedergeburt, und während dieser letzten Jahre der Trennung mit dem Warten auf deine Rückkehr.
Doch bald, in wenigen Monaten, wenn die Vorbereitungen beendet sind und wir die ewige Energie gewonnen haben werden, alles Wissen dieser Erde, und eine Kraft, die Berge versetzen und Meere aus ihren Betten heben kann, beginnt für uns das Leben. Oh! Ich kann kaum noch die Stunde erwarten, wenn wir zum ersten Mal, wie ein Zwillingsgestirn, das neu am
Weitere Kostenlose Bücher